Russische Demokraten

Kommentar von Detlef D. Pries

  • Lesedauer: 2 Min.

Einen Tag nach der Unterzeichnung durch Präsident Dmitri Medwedjew ist Russlands neues Parteiengesetz am Mittwoch in Kraft getreten. Niemand kann bestreiten, dass es die Gründung politischer Parteien und ihre Registrierung erheblich erleichtert: Nicht mehr 40 000 Mitglieder muss eine Gruppierung nachweisen, sondern ganze 500. Lehnt das Justizministerium eine Registrierung ab, müssen die Beamten ihr »Njet« exakt begründen und den Antragstellern drei Monate Zeit einräumen, um Mängel zu beheben. Eine zugelassene Partei wegen ungenügender Mitgliederzahl aufzulösen, soll nicht mehr möglich sein. Erst wenn sie sich sieben Jahre lang keiner Wahl gestellt hat, verliert sie ihre Zulassung. Das Gesetz mag nicht in jeder Passage mit der Praxis in anderen Staaten übereinstimmen, doch undemokratisch kann man es nicht nennen. Und dennoch ist es - na was schon? - »umstritten«.

Verständlich wäre, wenn die vier Parteien, die sich bisher in den Büros der Staatsduma mehr oder weniger bequem eingerichtet haben, die drohende Konkurrenz als unangenehm empfänden. Ihr Grummeln war hörbar, dennoch hat der Gesetzentwurf das Parlament passiert. Kritik äußern vor allem jene, die bisher heftig über Benachteiligung, Behinderung und Nichtzulassung geklagt und das Attribut »demokratisch« allein für sich beansprucht haben: Das Gesetz sei eine weitere Intrige des Kremls, damit wolle Medwedjews Herr und Meister Wladimir Putin lediglich die Zersplitterung der »wahren« Opposition fördern. Tatsächlich sollen bereits 85 Parteien in den Startlöchern hocken, von der Partei der Guten Menschen bis zur Partei der Zehn Gebote. Natürlich sind darunter Spaßparteien und Spaltparteien ebenso wie solche mit falschen Etiketten.

In der Kritik der selbsternannten Demokraten offenbart sich indes vor allem der Mangel an Vertrauen in die eigene Popularität und in die Anziehungskraft ihrer Konzepte. Die Parteien Nemzows, Kasjanows, Kasparows und anderer scheiterten bisher eher an internen Querelen und Eitelkeiten ihrer Führer als am Widerstand aus dem Kreml. Für manchen - nicht nur in Russland - ist freilich schon die abwechselnde Herrschaft zweier Parteien ohne grundsätzliche Unterschiede »lupenreine Demokratie«. So gesehen ist Putin als Demokrat aber in der Tat mindestens so lupenrein wie seine Kritiker. Genau so ein System hätte er nämlich auch gerne. Nur wird das eben in Russland noch einige Zeit brauchen.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.