Waffenruhe mit Störfällen

Trotz Aufflackerns von Gewalt halten sich Syriens Konfliktparteien offenbar an den Annan-Plan

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Waffenruhe in Syrien hält offenbar, bleibt aber brüchig. Bei Protestkundgebungen gegen die Regierung von Präsident Baschar al-Assad wurden am Freitag laut Opposition mindestens elf Menschen getötet.

Damaskus/Kairo (Agenturen/nd). Ungeachtet der geltenden Waffenruhe wurden aus mehreren Landesteilen Syriens, darunter der Grenze zur Türkei, vereinzelte Schießereien gemeldet. Zur Überwachung der Feuerpause wollen die Vereinten Nationen möglichst rasch Beobachter entsenden.

Landesweit gingen am Freitag Tausende Syrer auf die Straßen, um gegen die Regierung zu protestieren. Der Verlauf der Kundgebungen war mit Spannung als erste große Bewährungsprobe für die seit Donnerstagmorgen geltende Waffenruhe erwartet worden. Zu tödlichen Zwischenfällen kam es nach Angaben der Opposition in den Provinzen Idlib, Hasaka und Hama.

In der nördlichen Provinz Idlib sowie in Randbezirken der Hauptstadt Damaskus hätten Sicherheitskräfte mit scharfer Munition in die Demonstrationen im Anschluss an die Freitagsgebete gefeuert, hieß es. Proteste wurden auch aus der Hafenstadt Latakia, der Unruheprovinz Homs sowie der südlichen Provinz Daraa gemeldet. In der Ortschaft Darkusch nahe der türkischen Grenze schossen Soldaten und Milizionäre nach Angaben von Oppositionellen auf Demonstranten und verletzten fünf. Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete von einem etwa einstündigen Schusswechsel am Morgen zwischen Rebellen und der syrischen Armee nahe dem Grenzdorf Chirbet al-Dschoos. Nach Angaben der syrischen Opposition rückte die Armee mit Panzern auf die Ortschaft vor, um Freischärler der oppositionellen »Freien Syrischen Armee« zu vertreiben.

Der Betreiber der in London ansässigen syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, sagte am Freitag: »Insgesamt hält die Waffenruhe noch immer, in einigen Gebieten ist sie aber gebrochen worden.« Am Donnerstag waren nach Angaben von Oppositionellen in ganz Syrien trotz der Feuerpause mindestens 22 Menschen getötet worden.

Russland begrüßte die Waffenruhe. »Sie ist zwar brüchig, aber - wie Kofi Annan es selbst ausdrückte - es ist auch so ungewöhnlich für die dortige Situation«, sagte Außenminister Sergej Lawrow. Deutliche Zweifel an einem dauerhaften Ende der Gewalt äußerte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy: »Ich glaube nicht an die Aufrichtigkeit von Baschar al-Assad. Ich glaube leider auch nicht an die Waffenruhe«, erklärte er. Es sei unabdingbar, Beobachter in das Land zu entsenden. »Ich bin überzeugt, dass die internationale Gemeinschaft ihre Verantwortung wahrnehmen muss«, so Sarkozy. Über humanitäre Korridore müsse denjenigen geholfen werden, die heute von einem Diktator massakriert würden.

Der fragile Waffenstillstand ist Teil eines Friedensplans, den der Syrien-Sondervermittler Kofi Annan im März vorgelegt hatte. Wichtigster Punkt ist ein Ende der Gewalt. Zudem sieht der Plan den freien Zugang für humanitäre Helfer und Journalisten und einen vorsichtigen demokratischen Wandel in Syrien vor.

Eine Beobachtermission zur Überwachung der Waffenruhe könnte schon in Kürze vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossen werden. Widerstand gegen eine Entsendung gebe es nicht, hieß es nach einer Sitzung des UN-Gremiums.

Die zuständigen UN-Stellen bereiten schon seit Wochen eine solche Mission vor. Zumindest ein Erkundungsteam soll gleich nach einem entsprechenden Beschluss des Rates abreisen können. Es soll nach Angaben aus UN-Kreisen aus bis zu 30 Soldaten bestehen, von denen die meisten schon bei bestehenden UN-Einsätzen im Nahen Osten im Einsatz sind.

Waffenruhe und letzte Ruhe - syrische Sicherheitskräfte in Latakia bei der Trauerfeier für ein bei den Unruhen getötetes Mitglied Foto: AFP

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