Wir sind doch keine Verbrecher

Hans Sandlaß wehrt sich gegen das Rentenstrafrecht

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.
Hans Sandlaß
Hans Sandlaß

Doktor Hans Sandlaß ist ein Fachmann, auf dessen Expertise selbst der Technische Überwachungsverein (TÜV) nicht verzichten wollte. Nach der Wende wurde der Ostdeutsche Geschäftsführer beim TÜV-Rheinland. Im August 1996 ging der DDR-Nationalpreisträge schließ- lich in Rente.

Doch anstatt den Ruhestand zu genießen, muss Sandlaß seit vielen Jahren prozessieren, um endlich die ihm zustehende Rente zu erhalten. Wie sein Anwalt Karl-Heinz Christoph gegenüber »nd« betont, werde Sandlaß gleich »doppelt benachteiligt«. Da ist zum einen die nie erfolgte Überführung von DDR-Renten- und Versorgungsansprüchen. »Davon sind aber alle in der DDR Berufstätigen betroffen«, so Christoph. »Eine Überführung der Rentenansprüche ins westdeutsche System hat es nie gegeben, obwohl der Einigungsvertrag dies vorsah.«

Die Altersbezüge des ehemaligen stellvertretenden Ministers für Kohle und Energie fallen zudem unter das so genannte Rentenstrafrecht. »Nur wegen seiner Funktion als Vize-Minister«, betont Rechtsanwalt Christoph. Dabei sei dem Spezialisten für Kraft-Wärme-Kopplung »absolut nichts vorzuwerfen«. Das Rentenstrafrecht gilt für die Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit sowie für Partei- und Staatsfunktionäre, Mitglieder von Bezirks- und Kreiseinsatzleitungen, Richter und Staatsanwälte.

Geregelt werden diese Rentenkürzungen durch Paragraf 6, Absatz 2 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes. Der Gesetzgeber machte sich die Begründung einfach: Das »System der Selbstprivilegierung der Personen auf der höchsten Stufe des Kadernomenklatursystems der DDR« solle im bundesdeutschen Rentenrecht keine Fortsetzung finden. In einem Urteil vom Juli 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht diese fragwürdige Praxis gebilligt. Die Entscheidung kam für Prozessbeobachter damals überraschend, hatte Karlsruhe doch in früheren Urteilen entschieden, dass Rentenkürzungen für alle Angehörigen staats- oder systemnaher Versorgungssysteme verfassungswidrig seien.

Doch Hans Sandlaß gibt nicht auf. Derzeit ist seine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig. »Wann dort ein Urteil fällt, ist noch nicht absehbar«, erklärt Karl-Heinz Christoph. Sandlaß ist nicht der einzige DDR-Minister, dessen Verfahren in Straßburg landete. Auch sein Kabinettskollege, der ehemalige Minister für Umweltschutz und Wasserwirtschaft Hans Reichelt, zog vor den Gerichtshof. »Leider sind dort keine Sammelklagen zugelassen«, bedauert Christoph. So muss jeder einzeln um sein Recht kämpfen. Offenbar erwägt das Gericht, das Verfahren einzustellen. Dennoch will sich Hans Sandlaß nicht geschlagen geben: »Ich werde einen Brief an die Richter aufsetzen. Die sollen sehen, dass wir vernünftige Menschen sind und keine Verbrecher.«

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