Kandidatenkür in Ungarn

Regierung macht Vorschlag für das Amt des neuen Staatspräsidenten

  • Zsuzsanna Horváth, Budapest
  • Lesedauer: 3 Min.
Die ungarische Regierungspartei Fidesz hat sich auf János Áder als Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten geeinigt.

Nachdem dem ungarischen Staatspräsidenten Pál Schmitt aufgrund der Bestätigung des Plagiatsverdachts der Doktortitel aberkannt worden und er zurückgetreten war, ist das Warten auf den Nachfolgekandidaten von Gnaden der Regierungspartei nun beendet. Der Parteivorstand der Fidesz hat sich am Freitag einstimmig auf den EU-Parlamentarier und Fidesz-Mann, János Áder, festgelegt. Ministerpräsident Viktor Orbán erklärte vor der Entscheidung, dass der nächste Staatspräsident Sicherheit und Ruhe ausstrahlen solle, denn Europa sehe schweren Zeiten entgegen.

Die formelle Bekanntgabe des Kandidatenvorschlags wird zu Beginn dieser Woche erwartet, die Wahl durch das ungarische Parlament wird Ende April oder Anfang Mai stattfinden. Wenn nichts Aufsehenerregendes dazwischen kommt, sollte damit die Entscheidung über die Person des künftigen ungarischen Staatspräsidenten gefallen sein. In der ungarischen Innenpolitik wird die ungewöhnliche Langsamkeit der Fidesz bei der Benennung des neuen Kandidaten als Zeichen zunehmender politischer Vielfalt und Eigenständigkeit im Führungsbunker der Partei gewertet, ja, sogar als beginnende Infragestellung der uneingeschränkten Führungsrolle von Staats- und Parteichef Orbán.

Der nunmehr öffentlich zum Kandidaten gekürte János Áder hat bereits erklärt, dass er für das Amt grundsätzlich bereitstehe. Der 51-jährige Jurist hat in Ungarn mehrere hohe politische Ämter innegehabt. Er war Parlamentspräsident, Fraktionsführer der Fidesz und füllte Spitzenpositionen in der Partei aus. 2009 übersiedelte Áder ins EU-Parlament, nachdem es zwischen ihm und Viktor Orbán zu einer gewissen Abkühlung gekommen war. Áder habe, so hieß es damals, mit gegen Orbán konspirierenden Kräften in der Partei und deren Umkreis in Verbindung gestanden. Nachdem die Fidesz seit 2010 mit Zweidrittelmehrheit regiert, hat sich Áder in beschränktem Maße wieder öffentlich für die Partei- und Regierungsarbeit in Ungarn engagiert. Der Präsidentschaftskandidat gilt, im Gegensatz zum zunächst gehandelten derzeitigen Parlamentspräsidenten László Kövér, nicht als rechter Hardliner und außerdem als einer der humorlosesten Politiker des Landes. Kövér hatte bald nach Schmitts Rücktritt öffentlich erklärt, dass es bessere Kandidaten gebe als ihn selbst.

Unterdessen sind die Nachwehen des politischen Skandals rund um die Austreibung von Pál Schmitt aus dem Amt noch im Gange. Schmitt hatte öffentlich erklärt, dass er rechtlich gegen Formfehler bei der Aberkennung des Titels vorgehen werde. Praktisch zeitgleich war der Rektor der Semmelweis Universität zurückgetreten, die den Doktortitel vergeben hatte. In Fidesz-Kreisen gab es harte Kritik daran, wie die Partei- und Regierungsspitze mit der Affäre Schmitt umgegangen ist. Ministerpräsident Orbán jedenfalls geht aus dieser Affäre und dem Ringen um die Benennung eines Nachfolgers für Pál Schmitt gewiss nicht gestärkt hervor.

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