Polizei sammelte am 1. Mai drei Rohrbomben auf
Fund von Sprengkörpern während abendlicher Demonstration erst gestern öffentlich gemacht
Seit dem 3. Mai wusste die Berliner Polizei Bescheid, erst gestern machte die Behörde die Funde öffentlich: Polizisten von Einsatzhundertschaften aus Berlin und Sachsen-Anhalt haben laut Polizei am Abend des 1. Mai in unmittelbarer Nähe der Revolutionären 1. Mai-Demonstration in Kreuzberg kurz hintereinander drei Rohrbomben gefunden. Innensenator Frank Henkel (CDU) sieht deshalb eine neue »Stufe des Hasses«.
Dabei habe es sich um »40 Zentimeter lange Metallrohre mit Lunte« gehandelt, die »randvoll mit einem dem Sprengstoffgesetz unterliegenden Selbstelaborat gefüllt waren«, erklärte Berlins Polizeichefin Margarete Koppers gestern im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Ob die Sprengsätze funktionstüchtig waren, wird derzeit von Spezialisten der Polizei untersucht. »Wenn sie sprengfähig waren, dann hätte man in Umkreis von 15-20 Metern mit Schwerverletzten rechnen müssen«, sagte Koppers.
Aus Sicht der Polizei hätte die Demonstration nicht nur zum Schutz der Polizisten, sondern auch zum Schutz der tausenden Teilnehmer abgebrochen werden müssen. Doch die Berliner Polizei will erst im Nachgang und nach der Bilanz-Pressekonferenz am 2. Mai, an der Innensenator Frank Henkel (CDU) und Margarete Koppers teilnahmen, von den Sprengkörpern erfahren haben, so ein Polizeisprecher gegenüber »nd«.
Die erste Rohrbombe sollen demnach Polizisten aus Sachsen-Anhalt gefunden haben, die aus der Revolutionären 1.Mai-Demonstration heraus an der Ecke Lobeckstraße/Oranienstraße mit Böllern beworfen worden waren. Nach der Attacke nahm einer der Polizisten aus Sachsen-Anhalt den Sprengsatz auf, den er als »normalen pyrotechnischen Gegenstand« einstufte. Nur Minuten später fand dann ein Berliner Polizisten auf dem Gehweg eine »baugleiche Bombe«, die Dritte folgte wenig später auf dem Straßenland in der Margrafenstraße, wo die Demonstration, wie berichtet, von der Polizei aufgelöst wurde.
Bisher könne man nicht sagen, ob die Rohrbomben aufgrund von »letzten Skrupeln oder befürchteten Kontrollen weggeworfen wurden«, sagte Koppers, die davon ausgeht, dass Teilnehmer diese Sprengsätze dabei hatten. Hinweise auf Erbauer hat die Polizei indes bisher nicht.
Die Bombenfunde überschatteten gestern im Innenausschuss die Bilanzierung des 1. Mai in Berlin, der bisher von fast allen Beobachtern als vergleichsweise friedlich eingestuft wurde. Überdies sollte ursprünglich im Ausschuss diskutiert werden, warum die Polizei die Revolutionäre 1-Mai-Demonstration vor dem Jüdischen Museum aufgelöst hatte.
Indes: Selbst Koalitionsabgeordnete reagierten auf die neuen Angaben zurückhaltend: »Es kann auch sein, dass Rechtsextremisten die Sprengkörper in die Demonstration reingetragen haben«, sagte der SPD-Abgeordnete Tom Schreiber. Er hofft, dass die Ermittlungen den Sachverhalt aufklären oder ein Bekennerschreiben auftaucht.
Für Irritationen sorgte die Aussage Koppers', die erst im Nachgang gefundenen Rohrbomben spielten zwar während des Einsatzes keine Rolle, sollten »aber bei der politischen Bewertung« der Revolutionären 1.Mai-Demonstration berücksichtigt werden. »Sie können nicht alle 15 000 Teilnehmer in Haftung für drei Rohrbomben nehmen«, sagte Udo Wolf von der Linkspartei.
Die Organisatoren des linksradikalen Aufzuges erklärten, aus ihrer Sicht solle die Demonstration kriminalisiert werden. »Mit den Rohrbomben soll die Kritik an der Auflösung der Demonstration mundtot gemacht werden«, sagte Jonas Schiesser von der Antifaschistischen Revolutionären Aktion (ARAB). Während des Aufzuges wollen die Veranstalter nichts besonderes mitbekommen haben. Nur die »große Rauchbombe«, die vor Springer gezündet wurde, sei »unüblich« gewesen.
Ob die »Rohrbomben« vielleicht solche »Rauchbomben« waren? Diese und andere Fragen müssen die polizeilichen Ermittlungen beantworten.
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