Gifttod im Nationalpark

Im Nationalpark Bayerischer Wald wurde ein Luchs umgebracht - der Fall sorgt für Aufregung

  • Rainer Funke
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein vor zwei Monaten geschehener Mord erregt noch immer viele Gemüter im Bayerischen Wald. Die drei Jahre alte Luchskatze Tessa war tot aufgefunden worden. Der GPS-Sender an ihrem Halsband hatte signalisiert, dass sie sich nicht mehr fortbewegte.

Tessa war in einem kleine Waldstück nahe einer Ortschaft am Westrand des Nationalparks Bayrischer Wald gefunden worden. Eine Obduktion der Luchskatze ergab, dass sie wegen eines Atemstillstands verendet war. Ein hochtoxisches und hierzulande seit 2007 verbotenes Nervengift hatte ihren Tod verursacht, wie Nationalparksprecher Rainer Pöhlmann gegenüber »nd« sagte. Es sei früher dazu benutzt worden, Insekten zu vernichten. Schon eine schlichte Berührung kann tödlich sein.

Rehkadaver als Köder

Offenbar hatte die Luchsdame von einem 300 Meter entfernt aufgefundenen Rehkadaver gefressen. An Kehle und Hinterleib war dieser mit einem Messer aufgeschlitzt und mit dem Gift bestückt worden. In den Innereien von Tessa fanden sich jene tödlichen Granulate. Was aus ihrem Jungen geworden ist - womöglich waren es sogar zwei -, blieb bislang unbekannt. Die Überlebenschancen beurteilen Experten von gut bis gering. Viel hängt wohl davon ab, ob die Jungen ebenfalls von dem Kadaver gefressen haben. Oder ob sie sich längst abgenabelt hatten und eigene Wege gegangen waren.

Tessa gehörte zum Luchsprojekt des Nationalparks. Fünf Luchse, 31 Rehe und 17 Hirsche wurden nach 2005 mit Sendern versehen. Mittels der Signale, aber auch durch Fotofallen und andere Methoden soll der tierische Alltag in freier Wildbahn analysiert werden - das Verhalten zwischen Raubtier und Beute, die Wanderrouten und die Orte der Ruhephasen, der aktuelle Aufenthaltsort. Letztlich will man klären, warum einige wenige Luchse zwar seit vielen Jahren wieder durch die bayerische Region und die des tschechischen Nationalparks Sumava streifen, die Population sich aber nur unwesentlich verändert, nachdem das Tier seit Jahrzehnten gänzlich ausgerottet schien.

Nach vorsichtigen Schätzungen, so Pöhlmann, könnten in unseren Tagen wieder 30 bis 40 solcher Raubkatzen im bayerisch-tschechischen Grenzland zu Hause sein. Weil Luchse artenschutzrechtlich streng geschützt sind und für sie das Jagdrecht gilt, hat die Nationalparkverwaltung im Fall Tessa bei der Staatsanwaltschaft Deggendorf Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.

Die Kripo ermittelt

Auf die vorsätzliche Tötung von Luchsen steht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Weil es sich bei den Granulaten um ein Kontaktgift handelt, sind auch Menschenleben gefährdet worden. Für Hinweise auf den oder die Täter haben Vereine und Privatpersonen inzwischen 19 000 Euro zur Belohnung ausgesetzt. Die Kripo ermittelt. Freilich erweist sich die Spurenlage, soweit bekannt wurde, als überaus dürftig. Die Umstände, so meint man vor Ort, legen nahe, dass der Täter ein Jäger oder Landwirt ist. Diese verstehen sich darauf, fachgerecht Tiere aufzubrechen. Zudem betrachten sie oft den Luchs als eine Art Bedrohung oder zumindest als Störfaktor. Obgleich kaum ein Bewohner dieser Gegend je einen der überaus scheuen Luchse in den naturbelassenen Wäldern erblickt hat, halten sich wie beim Wolf hartnäckig gruselige Legenden, die mit vielen Vorurteilen behaftet sind.

Normalerweise hält sich der Luchs aber von Häusern und Höfen fern. Nur Nutztiere auf Weideflächen sind bedroht, die direkt an Waldungen grenzen. Für vom Luchs gerissene Haustiere gibt es eine Entschädigung.

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