Es holpert beim Gedenken an NSU-Opfer

In Rostock wird es keine Turgut-Straße geben

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die sieben Städte, in denen die NSU-Terroristen mutmaßlich gemordet haben, wollten die Opfer mit Straßennamen und Gedenktafeln ehren. Nicht immer verläuft das reibungslos.

In Kassels Nordstadt sind jüngst junger Leute dabei ertappt worden, als sie die Schilder der Holländischen Straße mit »Halit Yozgat-Straße« überklebten. Sie wollten gegen die aus ihrer Sicht zynische Entscheidung protestieren, nur einen kleinen Platz nach dem Kasseler Opfer des NSU zu benennen. Yozgat war in der Holländischen Straße geboren worden; hier hatte sich sein Vater das Signal gewünscht.

Dabei verläuft die Ehrung in Kassel noch vergleichsweise reibungslos. Anfang April hatten sich die betroffenen Städte - Kassel, Hamburg, Nürnberg, München, Rostock, Dortmund und Heilbronn - auf ein würdevolles Gedenken verpflichtet. Straßen oder Plätze sollten umbenannt werden, Gedenktafeln sollten die Besonderheit der Mordserie herausstellen. Doch seither tun sich manche Verwaltungen und Lokalparlamente schwer.

Eine Stele als Ersatz

In Rostock etwa ist der Plan, eine Straße nach dem dortigen Opfer Mehmet Turgut zu taufen, vor wenigen Tagen im Ortsbeirat Dierkow gestoppt worden - einstimmig. Hinter vorgehaltener Hand ist von vermeintlich dunklen Stellen in der Biografie des Opfers die Rede. Zitieren lassen will sich niemand, doch geht es wohl auch um Angst vor der NPD: Sollte sich herausstellen, dass Turgut nicht »sauber« gewesen sei, gäbe man den Braunen für ihre Hetze gegen »kriminelle Ausländer« eine geeignete Vorlage. So will es zumindest diese Logik.

Der 2004 mit 25 Jahren ermordete Turgut war illegal im Land. Zweimal wurde er abgeschoben, nach der dritten Einreise wurde er erschossen. Dass er gegen Gesetze verstoßen hat, liegt auf der Hand. Aber ändert dies etwas an der Abscheulichkeit der Mordserie? »Ich finde diese Entscheidung sehr bedauerlich«, sagt die Rostocker Linksfraktionschefin Eva-Maria Kröger. Nun soll es nur noch eine Stele geben, auf der die Mordtaten selbst im Vordergrund stehen.

Ränkespiel der CDU

Das Hamburger Mordopfer Süleyman Tasköprü ist sogar zeitweise in die Mühlen des Ränkespiels geraten. Eine Initiative und die LINKE in der Bürgerschaft wollen seit Jahren einen Platz in Altona nach Kemal Altun benennen. Der Aktivist, der 1983 in die Türkei - damals eine Militärdiktatur - abgeschoben werden sollte, nahm sich mit einem Sprung aus einem West-Berliner Gerichtsgebäude das Leben. Da er jedoch ein Linksradikaler war, will besonders die Hamburger CDU keinen Kemal-Altun-Platz. Deshalb beantragten die Christdemokraten zwischenzeitlich sogar, die landläufig bereits als Altun-Platz bekannte Fläche nach dem NSU-Opfer Tasköprü zu taufen.

Inzwischen hat man von solchen Ideen Abstand genommen. Offiziell gibt es noch keine Entscheidung für eine Tasköprü-Straße, doch werde inoffiziell stets zugesichert, dass ein Vorschlag in Arbeit sei, sagt Christiane Schneider, die parlamentarische Geschäftsführerin der Hamburger Linksfraktion. Derzeit sieht es so aus, als würden in Hamburg am Ende Süleyman Tasköprü und Kemal Altun auf einem offiziellen Straßenschild verewigt. Wirklich erreicht, sagt Schneider indessen, sei aber noch nichts.

In Dortmund, wo es noch 2006 zu einem mutmaßlichen NSU-Mord kam, soll es einen Gedenkstein geben. Andernorts ist dem Bekenntnis zum Gedenkort bisher nicht viel gefolgt - etwa in Nürnberg, wo drei der Opfer ermordet wurden, soll es eine Gedenkstätte geben. Auch die Frage, ob sich Bayern, wo es insgesamt fünf Morde gab, als Land beteiligen wird, ist noch offen.

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