Mindestlohn ohne alles

Neues Vergabegesetz im Schweriner Landtag

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Eilverfahren will die rot-schwarze Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern einen Mindestlohn von 8,50 Euro für Landesaufträge in das Vergabegesetz schreiben, die Anforderung soll auch für sehr kleine Aufträge gelten. Der Kompromiss enthält jedoch keine über den Mindestlohn hinausgehenden sozialen oder ökologischen Bestimmungen.

Die Arbeitgeber im Nordosten laufen in diesen Tagen Sturm: In einem »undemokratischen Verfahren«, klagen ihre Verbände, werde der »Mindestlohn durch die Hintertür« im Landtag durchgepeitscht. Tatsächlich will die SPD/CDU-Regierung von Mecklenburg-Vorpommern ihr erstes Änderungsgesetz zum 2011 beschlossenen Gesetz zur die Vergabe von Landesaufträgen bereits im Juni verabschieden. Das sonst übliche Verfahren der Verbändebeteiligung am Diskussionsprozess wird daher deutlich verkürzt.

Niedrige Schwelle

Und in einem Punkt ist das Landesgesetz tatsächlich radikal: Bezüglich der Auftragssummen, ab denen die Bestimmungen tatsächlich greifen, gibt es keine Veränderungen; es bleibt bei den vergleichsweise niedrigen 500 Euro aus dem im vergangenen Jahr verabschiedeten Gesetz. Damals konnte dies den Unternehmern gleichgültig sein, denn das Vergabegesetz enthielt ohnehin nur eine Zusammenführung von bereits anderweitig gültigen Bestimmungen. Doch nun ist eine neue hinzugekommen: der Mindest-Stundenbruttolohn von 8,50 Euro.

In Ländern wie Bremen liegt der Schwellenwert für Auftragssummen bei etwa 10 000 Euro. Schwerin orientiert sich in diesem wichtigen Punkt jedoch am Vergabegesetz von Berlin, wie es dort seinerzeit von Rot-Rot verabschiedet worden war. In der Hauptstadt allerdings wurde die 500-Euro-Grenze gerade von der seit kurzem mitregierenden CDU aufgeweicht: So sollen ökologische Aspekte nun erst ab einem Auftrag von mehr als 10 000 Euro als Vergabekriterium angelegt werden. Andererseits können Mecklenburg-Vorpommerns Firmenchef aber auch aufatmen: Die jetzt vorliegende Schweriner Version eines Landesvergabegesetzes enthält zu ökologischen oder sozialen Kriterien jenseits des Mindeststundenlohns von 8,50 nur vage Kann-Bestimmungen. LINKE-Fraktionschef Helmut Holter erinnerte in der Aussprache zum in erster Lesung vorliegenden Entwurf daran, dass so unterschiedliche Länder wie Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen sich wesentlich weitgehendere Ziele gegeben haben: Dort werden mit dem Gesetz auch Unternehmen bevorzugt, die ihren Pflichten als Ausbildungsbetrieb in besonderer Weise nachkommen, sich umweltfreundlich verhalten oder die Beschäftigung von Frauen, Körperbehinderten oder Langzeitarbeitslosen fördern.

Die Linksfraktion hat einen eigenen Entwurf präsentiert, der in einem Detail überraschenderweise deutlich unternehmerfreundlicher ausfällt als die Regierungsvorlage: Das Gesetz solle »für die Wachdienste, für das Reinigungsgewerbe, für Bauleistungen, für den öffentlichen Personennahverkehr, andere Service-, Dienst- und Lieferleistungen, wobei dort auch alle zusammenhängenden Leistungen mit inbegriffen sind, ab einem Auftragswert von 10 000 Euro« gelten. Diesen vergleichsweise hohen Schwellenwert hat die Berliner DGB-Chefin Doro Zinke jüngst als unakzeptabel bezeichnet.

LINKE will 10 Euro

Im Vergleich mit dem Schweriner Koalitionsentwurf fällt bei der LINKEN andererseits aber nicht nur der geforderte Mindestlohn höher aus - er soll 10 Euro betragen. Auch der Katalog der sozialen Ansprüche an öffentliche Auftragnehmer ist weitaus umfänglicher. Die Arbeitsmarktpolitikerin der LINKEN, Regine Lück, forderte im Landtag, nicht nur einen »allgemeinen Grundsatz zur Förderung« von Frauen in das Gesetz aufzunehmen, sondern einen detaillierten Frauenförderungsplan. Der habe sich »mindestens« an den Grundsätzen des Landesgleichstellungsgesetzes auszurichten.

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