Das ferne Jahr 2036

Bei der Bergung des Atommülls aus dem maroden Bergwerk Asse droht eine lange Verzögerung

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Schlimmstenfalls könnte erst im Jahr 2036 mit der Bergung des Atommülls aus der Asse begonnen werden. Umweltminister Altmaier besucht morgen das Bergwerk in Niedersachsen.

Norbert Röttgen besuchte nach zweieinhalb Amtsjahren erstmals die Asse, Peter Altmaier kommt schon nach anderthalb Wochen. Am Freitag fährt der neue Umweltminister in das marode Atommülllager bei Wolfenbüttel ein. Er sei wegen der drohenden Verzögerung bei der Rückholung der radioaktiven Abfälle enttäuscht und beunruhigt, ließ Altmaier mitteilen. Dabei ist das Bundesumweltministerium für die Verschleppung zumindest mitverantwortlich. Einem nun bekannt gewordenen Zeitplan zufolge kann die Bergung des Atommülls nämlich erst im Dezember 2036 beginnen - beim Start des Vorhabens vor zwei Jahren waren die Beteiligten noch davon ausgegangen, dass die Arbeiten bis 2028 oder 2029 beendet sein könnten.

Nun soll aber erst 2029 endgültig entschieden werden, ob der Atommüll überhaupt aus dem Bergwerk herausgeholt werden kann. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hatte den Zeitplan von einer Beratungsfirma erstellen lassen. Bei dem in dem Bericht genannten Terminen handele es sich um ein »Worst-Case-Szenario«, sagt BfS-Sprecher Florian Emrich. Nach den derzeitigen rechtlichen Regelungen dürfen die einzelnen Schritte für die Rückholung des Atommülls nur nacheinander erfolgen. Sie umfassen unter anderem den Bau eines weiteren Schachtes sowie eines oberirdischen Zwischenlagers.

Das Verfahren ließe sich vor allem durch neue gesetzliche Regelungen beschleunigen. Bislang gibt es aber keine Einigung auf eine solche »Lex Asse«. Umweltschützer und Oppositionsparteien reagierten empört auf die Verzögerungen. Erst 2036 mit der Räumung der Asse zu beginnen, sei »völlig inakzeptabel«, sagt SPD-Chef Sigmar Gabriel. Nach Ansicht der Grünen-Bundestagsabgeordneten Sylvia Kotting-Uhl kommt der Zeitplan sogar »einem bewussten Scheitern-Lassen der Rückholung« gleich.

Auch CDU und FDP fordern ein höheres Tempo bei der Rückholung und zeigen gleichzeitig mit dem Finger auf das BfS und seinen Chef Wolfram König. Es entstehe der Eindruck, dass die Behörde die Bergung des Atommülls »mit stoischer Ruhe abarbeiten« wolle, sagt etwa der niedersächsische CDU-Landtagsabgeordnete Martin Bäumer. SPD-Chef Gabriel sieht dagegen die Bundesregierung am Zug. Altmaier müsse jetzt die »sträflichen Versäumnisse« seines Amtsvorgängers ausgleichen und die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, damit die Bergung des Atommülls schnellstmöglich beginnen könne.

Auch sonst hat sich die Regierung in der Vergangenheit eher als Bremser erwiesen. So hatte das Umweltministerium, dem das BfS untergeordnet ist, darauf bestanden, vor der Rückholung eine sogenannte Faktenerhebung zu veranlassen. Das dreistufige Verfahren sieht Probebohrungen in zwei Atommüllkammern, das probeweise Öffnen dieser Hohlräume und das Bergen erster Fässer vor.

Udo Dettmann vom atomkraftkritischen Asse-2-Koordinationskreis hält die gesamte Phase der Faktenerhebung für »Zeitverschwendung«. Es sei ohnehin davon auszugehen, dass sich die eingelagerten Fässer mit Atommüll in einem katastrophalen Zustand befänden und die Rückstände mit Baggern herausgeholt werden müssten. Gleichzeitig warnt der Koordinationskreis davor, durch neue Gesetze die Bürgerbeteiligung auszuhebeln. Bei Verfahrensvereinfachungen bestehe immer die Gefahr, dass Bürgerrechte gegenüber der Handlungsfreiheit staatlicher Stellen eingeschränkt würden. Deswegen sollten auch andere Maßnahmen als eine »Lex Asse« geprüft werden, etwa die rechtliche Aufteilung der Atommüllkammern in einzelne Atomanlagen. »Die Räumung von gut erhaltenen Fässern muss sich nicht am schlechtestmöglichen Zustand des Atommülls orientieren«, sagt Co-Sprecher Andreas Riekeberg. In der Asse lagern rund 126 000 Fässer mit schwach und mittelradioaktivem Müll sowie chemische Abfälle.

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