Keine großen Sprünge

Sparpolitik, Kompromisse, Mangelverwaltung: Von der neuen Regierung in Schleswig-Holstein ist wenig zu erwarten

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.
Viele Vorhaben der künftigen Landesregierung Schleswig-Holsteins werden sich aus Geldmangel nicht realisieren lassen.

»Gestalten« sieht anders aus. Fehlendes Geld dämpft die Euphorie bei den derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) in Schleswig-Holstein. Niemand sollte sich dann beim Lesen des Koalitionsvertrags wundern, wenn dieser voller wohlklingender Absichtserklärungen steckt, konkrete Aussagen dagegen Mangelware bleiben.

Nebulös hatte die SPD bereits ihr Wahlprogramm formuliert. Es ist nicht mehr viel übrig geblieben von der »Vision« des angehenden SPD-Ministerpräsidenten Torsten Albig, das nördlichste Bundesland insbesondere im Bildungsbereich auf solide Füße zu stellen. Von der Kita bis zur Hochschule sieht eine Bildungsoffensive eigentlich anders aus: Es genügt nicht, jährlich 35 Millionen Euro zu investieren. Daher hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) auch bereits festgestellt, dass mit dem Gegenwert von nur 700 Lehrerstellen keine großen Sprünge zu erwarten sind. »Das reicht doch hinten und vorne nicht. Da muss nachgebessert werden«, sagt der GEW-Landeschef Matthias Heidn. Immerhin ist die von der bisherigen CDU/FDP-Regierung angekündigte pauschale Streichung von über 3600 Stellen bis 2020 vom Tisch. Dass es einen Stellenabbau geben wird und die so genannte demografische Rendite nicht 1:1 dem Bildungssektor zugute kommen wird, bleibt ein Wermutstropfen der jetzigen Koalitionsgespräche, auch wenn die daran Beteiligten sich erst einmal nur bis zum Jahr 2017 Gedanken machen müssen.

Dennoch betonen die verhandelnden Koalitionäre in spe, dass sie den Haushalt im Zuge der Einhaltung der sogenannten Schuldenbremse bis 2020 konsolidieren wollen. Da bleiben nur minimale Spielräume, die unter Schwarz-Gelb eingeleiteten sozialen Kürzungen (Blindengeld, Frauenhäuser) rückgängig zu machen. Auch wohlfeile Ankündigungen Albigs, Bürokratie und Verwaltung zu Leibe zu rücken, um auch Personal einzusparen, bleiben Absichtsbeteuerungen, solange niemand bereit ist, eine Verwaltungsstruktur- und Kreisgebietsreform auf den Weg zu bringen. Es ist nämlich nicht davon auszugehen, dass sich ein künftiger SPD-Innenminister mit den Kommunen, Ämtern und Kreisen anlegen will, bei denen viele politische Posten und Pöstchen dranhängen, und wenn sie nur ehrenamtlicher Natur sind.

Über Personalien für das künftige Kabinett gibt es noch keine offizielle Mitteilung. Dennoch, so heißt es, wurde Einigung darüber erzielt, dass die Grünen erstmals im nördlichsten Bundesland mit Monika Heinold die Finanzministerin stellen. Der ist bewusst, dass sie Mangelverwalterin ist. Daher bleiben SPD-Wünsche nach einem beitragsfreien Kita-Jahr und nach einer besseren finanziellen Ausstattung der Kommunen unerfüllt. Klopfen die Grünen den Sozialdemokraten hier auf die Finger, sieht es bei der Verkehrspolitik umgekehrt aus. Auch wenn die Verhandlungen zu dem Thema erst heute beginnen, ist klar, dass die Grünen ihre Ablehnung des Weiterbaus der A 20 mit Ziel der Elbquerung bei Glückstadt nicht durchhalten werden. Der bisherige Fraktionschef Robert Habeck hatte bereits vor der Wahl angekündigt, dass die Koalition nicht an einem Verkehrsprojekt scheitern werde. Habeck wird neben dem Umwelt-, Verbraucherschutz- und Landwirtschaftsministerium auch das von ihm geforderte neue Energieministerium leiten.

Anke Spoorendonk (SSW) steht bereit als Ministerin für Kultur und Justiz. Die politische Interessenvertretung der dänischen Minderheit ist bereits zufrieden, dass die 15-prozentige Kürzung der Mittel für ihre Schulen zurückgenommen wird. Nun muss nur noch die SPD ihre Minister benennen.

Am 9. Juni sollen Parteitage bei SPD, Grünen und SSW den Koalitionsvertrag billigen. Am 12. Juni will Albig sich zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Die »Schleswig-Holstein-Ampel« verfügt über eine Stimme mehr als die Opposition aus CDU, FDP und Piraten. Letztere wollen Albig aber noch einmal ins Kreuzverhör nehmen. Aus der sechsköpfigen Fraktion könnte der SPD-Mann dann ebenfalls noch die eine oder andere Stimme bekommen.

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