Biber als Exportschlager

Eigentlich ist der Castor fiber albicus an der Elbe heimisch, doch inzwischen gibt es ihn auch in Holland und Dänemark

  • Heidrun Böger
  • Lesedauer: 4 Min.
Insgesamt 500 Elbebiber wurden im Laufe der Jahre in andere Regionen Deutschlands und ins Ausland umgesetzt. Dabei war der Bestand vor wenigen Jahrzehnten noch akut bedroht.

Etwas Besonderes hat das Biosphärenreservat Mittelelbe zu bieten: Von hier werden beziehungsweise wurden Biber ins Ausland exportiert. So leben jetzt in Dänemark und Holland mitteldeutsche Biber. In beiden Ländern war die Art ausgestorben, vor allem weil die Tiere in den vergangenen Jahrhunderten wegen ihres Felles und ihres Fleisches gejagt wurden. Das Bibergeil, das die männlichen Tiere produzieren, um ihr Revier zu markieren, galt als potenzsteigernd (was Quatsch ist) und wurde in früheren Jahrhunderten mit Gold aufgewogen.

Von 200 auf 8500 Tiere

»Weniger eine Rolle spielte der Schaden, den Biber unter Umständen anrichten«, erklärt Peter Ibe, der beim Biosphärenreservat Mittelelbe für das Projekt Elbebiber verantwortlich ist. Der Name bezeichnet damit übrigens die Gattung, im Lateinischen Castor fiber albicus. In Bayern und an der Oder gibt es Mischpopulationen, das sind keine reinrassigen Elbebiber.

In früheren Jahrhunderten drohte dem Elbebiber, der zwei Kilogramm Rinde, Blätter und Zweige am Tag frisst, die Ausrottung. So gab es Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland nur noch etwa 200 der Nager. Bereits zu DDR-Zeiten wurde die Population unter strengen Schutz gestellt, man richtete Schongebiete ein. Der Bestand erholte sich auf heute etwa 8500 Tiere, von denen etwa 2500 in Sachsen-Anhalt leben und 1200 im Biosphärenreservat Mittelelbe. Experte Peter Ibe, der sich hier wohl wie kein zweiter auskennt: »Der Bestand gilt als gesund und ausreichend.« Insgesamt 100 ehrenamtliche Helfer kümmern sich darum, zählen zum Beispiel einmal jährlich die Tiere.

Wie kam es nun zum Exportschlager Elbebiber? Bereits vor Jahrzehnten wollten die Niederlande die Tiere wieder ansiedeln, weil sie natürliche Landschaftspflege betreiben. Biber fällen Bäume, bauen Dämme und stauen das Wasser, so dass ganze Flusslandschaften entstehen. Kraniche und Frösche siedeln sich an. Für all das müsste viel Geld ausgegeben werden, der Biber macht es gratis.

Peter Ibe, der gelernter Geflügelzüchter ist, kam bereits 1973 zu den Bibern. Damals wurde die Mulde trockengelegt, um Braunkohle abzubauen. Peter Ibe brachte mit seinen Kollegen die Biber an den Fluss Peene in Mecklenburg-Vorpommern. Die Nager sind anpassungsfähig und leben sich überall schnell ein.

Ibe kennt sich bestens aus mit den Tieren und ihren Lebensgewohnheiten: »Umgesiedelt werden immer ganze Familien, das sind das Elternpaar, das ein ganzes Leben zusammenbleibt, und die Jungen aus zwei aufeinanderfolgenden Jahren, etwa sechs bis acht Tiere.« Das Einfangen der sehr scheuen Biber ist schwierig. Peter Ibe legt sich dafür mit einem Kollegen oft nächtelang auf die Lauer, bei Wind und Wetter, egal ob es regnet oder schneit. Zunächst wird am Biberbau ein Netz ausgelegt, dann heißt es warten und zwar im Dunkeln, denn die etwa 1,40 Meter langen und bis zu 35 Kilogramm schweren Säugetiere sind nachtaktiv. Gesprochen wird nicht, es ist stockdunkel: »Das kann schon frustrierend sein, wenn man sich zwei, drei Nächte um die Ohren geschlagen hat und kein Biber ins Netz gegangen ist«, erklärt Peter Ibe. Zumal die Aktion so lange dauert, bis die ganze Familie eingefangen ist. Transportiert werden die Tiere dann in Kisten zum jeweiligen Bestimmungsort.

Gespräche über Schäden

Letztes Jahr im Herbst haben Peter Ibe und seine Kollegen die letzten Biber exportiert, drei Familien zogen auf die Insel Seeland in Dänemark um, die Aktion lief schon seit 1999. Die Populationen dort und in den Niederlanden sind inzwischen groß genug. Aber auch innerhalb von Deutschland sind Familien aus Sachsen-Anhalt angesiedelt worden, zum Beispiel am Niederrhein und im Saarland, um dort die Bestände zu vergrößern. Insgesamt 500 der Nager wurden seit 1973, dem Beginn der Umsiedlungen, zu Auswanderern wider Willen.

Was ist mit dem teilweise schlechten Ruf, den die Tiere haben? In Dänemark führte man extra eine Befragung unter betroffenen Bauern und Anwohnern durch, die Reaktion war positiv. Die Tiere haben ein gutes Image: Sie gelten als fleißig und wirken mit ihrem Fell possierlich. Dennoch läuft auch im Biosphärenreservat Mittelelbe nicht immer alles glatt. Biber-Aktivitäten führen immer wieder zu Überschwemmungen von Ackerland oder Gärten. Dann sprechen Ibe und seine Kollegen mit den Betroffenen, helfen mit Schutzzäunen aus oder verringern die Dammhöhe. Geld für entstandene Schäden gibt es nicht, und selbstverständlich darf der Biber nicht getötet werden.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal