Bürger suchen Schlaf auf dem Flughafen

Die Proteste gegen Fluglärm im Rhein-Main-Gebiet gehen auch im Sommer unvermindert weiter

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Protest gegen den Fluglärm im Rhein-Main-Gebiet ist stärker denn je. Zehntausende ziehen auf die Straßen, in den Flughafen, vor Politiker-Häuser. Sie fordern die Stilllegung der neuen Landebahn und die Ausweitung des Nachtflugverbots. Es gibt sogar konkrete Alternativen: Viele Flüge könnten einfach auf die Schiene verlagert werden.

Zuhause ist es ihnen zu laut - deshalb wollen Lärmgegner in der Nacht zum Sonnabend im Frankfurter Rhein-Main-Flughafen übernachten. »Fluglärmbetroffene wollen endlich einmal acht Stunden an einem fluglärmfreien Ort schlafen«, heißt es in einer Mitteilung der Bürgerinitiativen gegen Fluglärm. Zwischen 22 Uhr und 6 Uhr wollen die Teilnehmer ihr Nachtlager im Abflugterminal Eins aufschlagen, wo sie sonst immer montags gegen Fluglärm demonstrieren.

Die Aktion soll auf die nächtliche Fluglärmsituation hinweisen. Trotz Nachtflugverbots zwischen 23 Uhr und 5 Uhr gebe es fast jede Nacht verspätete Starts und Landungen oder Messflüge. Vielerorts sei es in den Randstunden genauso laut wie am Tag - an Schlaf sei bei Spitzenpegeln von über 80 Dezibel außen und bis zu 60 Dezibel in Schlafzimmern nicht zu denken. Unabhängig davon halten die Anwohner sechs Stunden Nachtruhe für völlig unzureichend, um die berufliche oder schulische Leistungsfähigkeit zu erhalten. Die Bürgerinitiativen fordern ein absolutes Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr.

Am vergangenen Sonntag hatten sich erneut über 8000 Menschen am Protest beteiligt. »Hand in Hand« forderten sie mit einer Menschenkette entlang des Mainufers die Stilllegung der im Oktober in Betrieb genommenen neuen Nordwest-Landebahn am Frankfurter Flughafen. Vor zwei Wochen waren im 30 Kilometer entfernten Mainz rund 10 000 Menschen auf der Straße. Der Flughafenbetreiber Fraport wollte an diesem Tag mit einem »Infomobil« in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt für seine Standpunkte werben. Dazu kam es jedoch nicht. Stattdessen zeigten die Demonstranten Fraport und der mit dem Flughafen-Management eng verbundenen hessischen Landesregierung die »rote Karte«. Es sei »schlicht nicht rechtmäßig«, dass ein einzelnes Unternehmen wie die Fraport »so viel Unheil anrichtet«, erklärte der neue Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). Der rheinland-pfälzische Umweltstaatssekretär Thomas Griese (Grüne) zeigte Verständnis für die Forderung nach Schließung der Nordwest-Landebahn und forderte ein Ende der »Bevorzugung des Luftverkehrs«, der im Gegensatz zur Bahn keine Mehrwertsteuer entrichten müsse.

Die hessische Linksfraktion spricht sich für eine deutliche Reduzierung der Flugbewegungen und die Verlagerung von Kurz- und Mittelstreckenflügen auf die Schiene aus. Sie stützt sich auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der LINKEN-Bundestagsfraktion. Demnach waren 2011 über 55 Prozent aller Passagierflüge von und zum Frankfurter Flughafen kürzer als 1000 Kilometer.

Etwa 30 Prozent lagen im Entfernungsbereich unter 500 Kilometer, 17 Prozent bei unter 400 Kilometern und knapp neun Prozent der Passagierflüge waren sogar kürzer als 300 Kilometer. »Alle diese Flüge von Frankfurt Rhein-Main könnten auf die Bahn verlagert werden«, sagt Hermann Schaus, parlamentarischer Geschäftsführer von Hessens Linksfraktion. Ein Blick in den Fahrplan der Deutschen Bahn zeige, dass 16 Prozent aller Flüge von Frankfurt durch Bahnfahrten mit weniger als vier Stunden Reisezeit ersetzt werden könnten. Dies entspreche rund 72 800 Flügen im Jahr. Durch den Ausbau des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes können Züge bei der Reisezeit zunehmend mit Mittelstreckenflügen konkurrieren. So verbinden Züge mit Höchstgeschwindigkeiten von über 300 km/h Frankfurt am Main mit Paris, Brüssel oder Amsterdam in weniger als vier Stunden.

Die Verlagerung dieser Flüge sei »über Nacht« zu bewerkstelligen, meint Schaus. Er verweist auf Erfahrungen der letzten Jahre mit Streiks sowie auf die Sperrung des Luftraums wegen isländischer Vulkanasche. In diesen Fällen wurden Passagiere mehrfach auf ICE-Züge umgeleitet. Die LINKE fordert deshalb das Land als größten Anteilseigner der Fraport AG auf, die Verlagerung dieser Flüge auf die Schiene in die Wege zu leiten. Auch die Interessengemeinschaft zur Bekämpfung des Fluglärms (IGF) unterstützt diesen Ansatz. Eine solche Streichung sei wirkungsvoller als alle anderen vorgeschlagenen Maßnahmen und ein Beitrag zum Klimaschutz, so IGF-Chef Dirk Treber.

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