Gelbe Karte für ein sittenwidriges Ansinnen

In Israel klagte ein bekannter Imbissketten-Betreiber gegen die Durchsetzung von Jugendschutz als Diskriminierung

  • Lesedauer: 3 Min.
Israels Jugendschützer gehen gegen McDonald's vor, weil das Unternehmen Jugendliche an Samstagen beschäftigt. McDonald's Geschäftsführer hat nun dagegen geklagt: Die Heranwachsenden würden durch das Verbot diskriminiert. Eine Farce mit ernstem Hintergrund.
Es gibt Orte in Israel, an denen Amerika nur einen Schritt weit entfernt ist. Hier ist so einer: Als sich die Schiebetür öffnet, weicht die Beschaulichkeit des im Samstagsschlaf schlummernden Westjerusalem einem quirligen Chaos im XXL-Format. An einem Tisch in der Ecke hat sich eine Gruppe Jugendlicher die Tabletts mit Hamburgern und Pommes voll geladen. Und da drüben teilen sich Papa und Mama eine Cola, während die Kinder, so um die zehn Jahre alt, um mehr Hamburger betteln. Kaum älter ist der junge Mann, der hinter der Theke mit einem Erwachsenen spricht: Die Worte »schneller« fallen, und »letzte Warnung«. Juwal heißt er und ist 15 Jahre alt. Die Szene hat sich bereits vor einem Jahr zugetragen. Aber sie hätte auch vorgestern noch passieren können. Bis zum Mittwochmorgen. Da entschied Israels Oberster Gerichtshof, dass die Schnellimbisskette McDonald's Jugendliche wochentags nur noch unter strengen Auflagen und am Samstag, dem israelischen Sonntag, gar nicht mehr beschäftigen darf.

Vor Monaten hatten Israels Innenministerium und das Jugendamt begonnen, die eigentlich sehr strengen Jugendschutzgesetze besser durchzusetzen. Darin ist vorgesehen, dass Jugendliche am Samstag nicht arbeiten dürfen. Reihenweise wurden Cafés, Kneipen und Fastfood-Ketten abgemahnt und manchmal auch Strafzettel verteilt. Die meisten Betreiber hätten den Sinn eingesehen, sagt Michal Levy vom Jugendamt, und die, die es nicht einsehen, schrecke nun die Strafandrohung von umgerechnet rund 7000 Euro pro Fall ab.

Nur einer wollte das absolut nicht hinnehmen: McDonald's Israel, das von einem Lizenznehmer betrieben wird und mit McDonald's anderswo nur den Namen, die Gestaltung der Lokale und den Geschmack des Essens gemein hat.

Das Verbot, Jugendliche am Samstag zu beschäftigen, sei »Diskriminierung in Reinkultur«, erklärte Geschäftsführer Omri Padan nach einer Razzia des Jugendamtes: Viele Jugendliche seien wegen der wirtschaftlichen Lage darauf angewiesen zu arbeiten, und das könnten sie eben nur am Samstag tun, weil sie die Woche über in die Schule müssten. Außerdem gebe es am Samstag 50 Prozent mehr Lohn - der allerdings trotzdem 25 Prozent unter dem Lohn von Erwachsenen liegt. Und so kam es, dass die Angelegenheit am Mittwochmorgen vor dem Kleinen Senat des Obersten Gerichtshofes verhandelt wurde.

»Naja, was heißt verhandelt«, sagt ein Sprecher, »dass der Protest nicht haltbar sein würde, war klar. Wir haben die Sache nur zur Anhörung zugelassen, weil wir gehofft hatten, die Antragsteller davon zu überzeugen, dass solche Regeln notwendig sind.«

Eine Überzeugungsarbeit, die kaum jemand besser leisten kann als Eltern wie die von Juwal. Sie haben sich mit rund 200 anderen Familien, mit Ärzten und Therapeuten, zu einer Initiative zusammengeschlossen, die für eine bessere Durchsetzung des Jugendschutzes eintritt. »Unsere Monate waren damals so verdammt lang«, sagt sein Vater. »Alles wurde immer teurer, aber das Geld wurde nie mehr. Um unseren Lebensstil zu halten, haben wir unseren Sohn am Samstag zur Arbeit geschickt. Und viel zu spät gemerkt, dass seine Tage immer dunkler wurden.« Seit Dezember wird er wegen einer Angststörung behandelt; sein Psychiater führt das auf jahrelanges Mobbing zurück.

Kein Einzelfall, ist sich Michal Levy vom Jugendamt, von Haus aus Psychologin, sicher: »Mit der sozialen Krise hat in den vergangenen Jahren die Zahl der arbeitenden Jugendlichen stark zugenommen. Und wir wissen von Ärzten, dass die Zahl der psychischen Erkrankungen stark gestiegen ist, die direkt auf das Arbeitsumfeld zurückzuführen sind. Es war höchste Zeit, die amerikanischen Verhältnisse abzuschaffen.«

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