Ein bisschen sympathisch
Kommentar von Christian Klemm
An manchen Tagen trifft SPD-Chef Sigmar Gabriel den richtigen Ton. Am ehesten gelingt es ihm dann, wenn es nicht um die eigene Partei geht, sondern etwa um deutliche Kritik der israelischen Besatzungspolitik. Es entwickelten sich Sympathien für Gabriel bei denjenigen, die ihm sonst nur mit Skepsis begegnen. An diesem Wochenende war es ähnlich. Zwar kann der Sozialdemokrat sich noch immer nicht durchringen, die Agenda 2010 von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) zurückzuweisen. Doch die Ausweitung des Niedriglohnsektors sei falsch gewesen, meint Gabriel. Na also, möchte man ihm zurufen, der Mann hat zumindest im Ansatz verstanden, was die Schröderianer angerichtet haben.
Nämlich nicht weniger als den größten Sozialabbau in der bundesdeutschen Geschichte. Infolge der damaligen Deregulierung des Arbeitsmarktes ist ein riesiger Niedriglohnsektor entstanden. Viele Beschäftigte verkaufen seitdem ihre Arbeitskraft zu einem Lohn, der kaum zum Überleben reicht. Nicht wenige hangeln sich von Zeitvertrag zu Zeitvertrag, prekäre Beschäftigung wird seit Jahren als Erfolgsmodell für mehr Beschäftigung gefeiert. Hinzu kam, dass mit den Hartz-Gesetzen die Arbeitslosen samt ihrer Familien in die Armut gestürzt wurden.
Das alles kann auch Gabriel nicht entgangen sein. Wieso er keine Abkehr von der Agendapolitik fordert, hat wohl auch damit zu tun, dass sich noch immer haufenweise Genossen in seiner Partei tummeln, die das ganz anders sehen. Und die möchte er nur ungern verprellen.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.