Fluten oder Rausholen?

Über die Bergung des Atommülls aus der Asse gehen die Meinungen weit auseinander

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Atomkraftgegner kritisieren Aussagen, dass der Müll aus der Asse nicht zu bergen ist. Das Vorhaben sei zwar schwierig, aber unbedingt notwendig.

Neues Sperrfeuer gegen die Rückholung der radioaktiven Abfälle aus dem maroden Atommülllager Asse: Der ehemalige Fachbereichsleiter Sicherheit nuklearer Entsorgung aus dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), Michael Siemann, bezeichnet das Vorhaben jetzt als nahezu unmöglich. Gegenüber dem ARD-Magazin »Panorama« führt er technische Gründe an. »Das ist so, als wenn jemand von mir verlangen würde, die 100 Meter unter zehn Sekunden zu laufen. Das kriege ich auch nicht hin«, sagte der promovierte Mineraloge. Der Beitrag sollte gestern Abend ausgestrahlt werden.

Die Politiker wüssten darüber Bescheid, dass eine Bergung des Atommülls unrealistisch sei, so Siemann. Doch »aus Angst vor der Reaktion der Bevölkerung« werde diese Warnung verdrängt. Im BfS habe man die Schockstarre der Politiker »Asse Mikado« genannt: »Wer sich zuerst bewegt, kriegt die schlechteste Presse.«

Dagegen hält das Bundesamt weiter an dem Ziel der Rückholung fest. BfS-Sprecher Werner Nording sagte gestern dem »nd«, seine Behörde habe 2009 die Aufgabe übertragen bekommen, die Asse nach den Anforderungen des Atomrechts sicher stillzulegen. Dies sei nach dem derzeitigen Stand nur durch die Rückholung der Abfälle aus dem Bergwerk möglich. Ob dies gelingen könne, werde derzeit in der Probephase ermittelt. An diesem Sachstand habe sich nichts geändert. »Michael Siemann hat in leitender Funktion im BfS bis vor kurzem alle Ergebnisse bei der Asse aktiv mitgetragen und sich jetzt überraschend öffentlich distanziert«, erklärte Nording weiter.

Siemann war im Herbst 2010 zum BfS gestoßen und hatte das Amt erst vor wenigen Wochen verlassen. Er war dort für die Sicherheit nuklearer Entsorgung und die Stilllegung der Endlager Asse und Morsleben verantwortlich. Insider bezeichneten ihn schon länger als »U-Boot« von Gerald Hennenhöfer. Der einflussreiche Abteilungsleiter Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium gilt als strikter Gegner einer Räumung der Asse. Er befürworte stattdessen eine Flutung des Bergwerks, heißt es.

Atomkraftgegner kritisierten die Äußerungen Siemanns ebenfalls. Alle wüssten, dass die Räumung der Asse unter schwierigen Bedingungen erfolge, sagte Andreas Riekeberg vom Asse-2-Koordinationskreis dem »nd«.

Doch spräche dies nicht grundsätzlich gegen die Räumung, sie erhöhten jedoch die Anforderungen an den Betreiber. »In den vor der Panorama-Sendung bekannt gewordenen Zitaten von Herrn Siemann werden keine neuen Fakten präsentiert, die seine Bewertung untermauern«, sagte Riekeberg weiter. »Daher dürfte es lediglich als ein erneuter publizistischer Vorstoß zu sehen sein, um die Entscheidung für die Räumung der Asse zu torpedieren«.

Das Bergwerk könne nicht sicher geschlossen werden, solange sich Atommüll und chemische Abfälle darin befänden. Strömungs- und Transportmodelle zeigten, dass sich innerhalb weniger Jahre nach einem Verschluss der Asse der Atommüll in Lauge auflösen werde, durch Korrosion in erheblichem Umfang Gase entstünden und Radionuklide aus dem Berg ausgepresst würden. Es komme dann unweigerlich zu Kontaminationen der Umwelt. »Dies ist nicht zu verantworten«, so Riekeberg.

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