»Aber Bernd, da hab ich eine Nachfrage«

Die LINKE-Vorsitzende Kipping kommt vergeblich mit Marx - der Piraten-Chef will lieber ein Liberaler sein. Kleine (Medien-)Nachlese zum rot-orangen Gipfel im Berliner Pfefferwerk

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn die Vorsitzenden von, sagen wir: CDU und SPD zu einer öffentlichen Diskussion angetreten wären, würde wahrscheinlich von einem Parteiengipfel die Rede sein. Oder von einem Spitzenduell. Wenn sich allerdings Katja Kipping und Bernd Schlömer zum Talk auf eine Bühne setzen, dann ist das Teil einer »Beschnupperungsoffensive«.
Jedenfalls für Zeit online, die vom Treffen der Vorsitzenden von Linkspartei und Piraten überliefert, dass Schlömer und Kipping »nicht gerade« wie »hitzige Ideologen oder Staatsumstürzler« aufgetreten seien. Hatte da jemand anderes erwartet? Eine gewisse Überraschung muss auch den Korrespondenten der Nachrichtenagentur Reuters ergriffen haben. »Wer nun dachte, der von der Konkurrenz aufgedrückte Stempel eines Polit-Parias würde LINKE und Piraten einen«, wird da berichtet, »sah sich am Donnerstagabend eines Besseren belehrt.«

Worin dieses Bessere unter anderem bestanden hat: Bei der Diskussion im Berliner Pfefferwerk wurden nicht bloß Freundlichkeiten ausgetauscht, sondern es ging durchaus zur Sache. Kipping, erfährt man da zu Beispiel, »versuchte die internet-affinen Piraten mit dem sozialistischen Chefideologen Karl Marx zu ködern« - was insofern stimmt, als dass die LINKE-Politikerin erklärte, dass der große Mann aus Trier heute »begeistert« wäre »von den Möglichkeiten, die die Computerisierung und Digitalisierung bieten«. Marx, den großen Ideologiekritiker, deshalb zum Chefideologen zu erklären, ist wiederum eine andere Geschichte.

Bei Spiegel online erfährt man nicht nur, dass Kipping »in Ringelshirt und roten Pumps«auf dem Podium saß und der Moderator des Abends, Jakob Augstein, die »typischen Politikerantworten« von Schlömer – übrigens: orange Hose – bemängelte. Sondern auch, »dass Kipping mechanisch linke Positionen an den Piraten« abgearbeitet – deren Vorsitzender sich aber »nicht auf das Spiel« eingelassen habe. Aber was ist daran Spiel, wenn die eine hartnäckig wissen will, was der andere für eine Position zu Umverteilung, sozialer Frage, Reichenbesteuerung und dergleichen hat?

Doch zurück zur »Ideologie«, die an diesem Abend in Berlin immer wieder zur Sprache kam. »Alle suchen immer nach einer Ideologie«, zitiert ZDF online den Piratenchef, dabei seien seiner Meinung nach gerade junge Menschen stattdessen an Lösungen interessiert. Ein Widerspruch? Kipping konterte: »Aber Bernd, da habe ich eine Nachfrage. Das wird ja von Euch immer wie ein Mantra vorgetragen. Dabei ist Ideologielosigkeit die stärkste Ideologie überhaupt.« Und Schlömer wiederum meinte, »wir sind eine liberale Partei« beziehungsweise »keine Protestpartei, sondern eine Partei der Wechselwähler« beziehungsweise eine »heterogene Bürgerbewegung«. Ein bisschen was für fast jeden.


Und wie war das nun mit den Gemeinsamkeiten den beiden Parteien, um die es in Berlin ja auch gehen sollte? Publikumsfrage: »Herr Schlömer, nennen Sie doch einmal drei Inhalte, die Sie mit der Linkspartei einen.« Der Piratenchef: »Da muss ich passen.« Umgekehrt wusste man Antworten. Im Prager Frühling, einem Kipping nahe stehenden Magazin, liest man am Tag danach, dass die LINKE-Vorsitzende »mit kostenfreiem ÖPNV, freiem W-Lan und einem anderen Leistungsschutzrecht konkret« auf Gemeinsamkeiten zu sprechen kam. Kommentar von Spiegel online, wo noch das Bekenntnis zum gemeinsamen Protest gegen Neonazis aufgeführt wird: »Die wenigen Übereinstimmungen klingen wenig visionär.« Und: »Seltsamerweise kommt der vielleicht größte gemeinsame Nenner, das grobe Bekenntnis zum bedingungslosen Grundeinkommen, nur am Rande vor.« Das mit dem »gemeinsamen Nenner« Grundeinkommen hätte ein Großteil in der Linkspartei sowieso anders gesehen.

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