Neue Gremien, mehr Kontrollen

Ärzteschaft will Vertrauen von Organspendern und Patienten zurückgewinnen

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 2 Min.
Nach dem Organspendeskandal kam es gestern in Berlin zu einem Krisentreffen der zuständigen Prüf- und Überwachungskommissionen, zu denen Ärzte, Kliniken und Krankenkassen gehören. Eingeladen hatte die Bundesärztekammer.

In einer gemeinsamen Erklärung verpflichten sich die beteiligten Organisationen zu mehr Transparenz und einer effizienteren Kon᠆trolle der Transplantationsmedizin. Hintergrund sind mögliche Manipulationen bei der Vergabe von Spenderorganen. Deswegen laufen an den Uniklinken Göttingen und Regensburg Ermittlungen. Außerdem gibt es Unstimmigkeiten beim beschleunigten Vermittlungsverfahren, das ursprünglich nur für Sonderfälle vorgesehen war, nach dem aber inzwischen zum Beispiel jedes vierte Herz vergeben wird.

Das Krisentreffen auf Initiative der Bundesärztekammer fordert nun interdisziplinäre Transplantationskonferenzen, die über die Anmeldung von Patienten für die Wartelisten und die Organzuteilung entscheiden sollen. Bei der Sanktion von ärztlichem Fehlverhalten wurden die Forderungen nach harten Strafen aufgenommen: Diese sollten vom Ruhen der ärztlichen Approbation über deren Entzug bis hin zur Schließung von Transplantationszentren gehen. In Zukunft sollen Prüfberichte veröffentlicht werden, auch eine ständige Berichterstattung ist vorgesehen. Eine Beratung mit Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) über mögliche Gesetzesänderungen werde am 27. August stattfinden.

Das beschleunigte Vermittlungsverfahren soll kritisch analysiert und wieder zu einem »eng definierten und transparenten« Auswahlmodus kommen. Der Chef der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery wies allerdings darauf hin, dass das Verfahren Deutschland die höchste Nutzungsrate von gespendeten Organen im internationalen Vergleich verschafft habe. Montgomery hatte aber auch schon zuvor betont, dass die ärztliche Selbstkontrolle in dem Bereich nicht zu vermeiden sei. Stärkere staatliche Kontrolle wies er erneut zurück.

Bei den 30 000 Organübertragungen seit Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes Ende der 90er Jahre habe es in 20 Fällen einen Verdacht auf Fehlverhalten gegeben, der an Behörden gemeldet worden sei, sagte Hans Lilie, Vorsitzender der Ständigen Kommission Organtransplantation der Ärzte. Es gab 118 interne Untersuchungsverfahren. Das Gremium prüft zwischen ein und fünf Prozent der Transplantationen.

Den geplanten Maßnahmen widersprachen bisher vor allem Oppositionspolitiker. Die Grünen-Bundestagsabgeordneten Harald Terpe und Elisabeth Scharfenberg kritisieren, dass in Deutschland Vereine und private Stiftungen über die Verteilung der Organe entscheiden. Für sie ist es denkbar, die Organspende in die Hände einer Anstalt des öffentlichen Rechts zu legen. Sie fordern zudem, die im Herbst in Kraft tretende Neuregelung in diesem Bereich angesichts des Reformbedarfs auszusetzen. Die Linkenpolitikerin Kathrin Vogler forderte öffentliche Aufklärung. Das bestehende System sei für Manipulationen extrem anfällig. Stichprobenartige Kontrollen seien nicht ausreichend.

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