Die geschobene Lok

Kommentar von Kurt Stenger

  • Lesedauer: 1 Min.

Eine Lokomotive ist ein »Fahrzeug auf Schienen zum Ziehen der Eisenbahnwagen«, heißt es im Duden. Eine profane Erklärung, könnte man meinen. Doch so eindeutig scheint der Begriff nicht mehr zu sein: Jedenfalls hat die Bundesregierung die deutsche Wirtschaft zur »europäischen Konjunkturlokomotive« ernannt, viele Medien stimmen in den Kanon ein und bedauern jetzt, dass die Lok an Tempo verliert.

Diese Darstellung führt aber in die Irre: Deutschland steht zwar in Europas Wachstumsstatistik seit einiger Zeit an erster Stelle, aber man zieht niemanden. Bis zur Finanzkrise wurden die USA als globale Konjunkturlok bezeichnet, weil sie Waren aus aller Welt bis zum Abwinken konsumierten und noch so hohe Defizite nicht scheuten, über die sich andere freuten. Die deutsche Wirtschaft macht es umgekehrt: Sie exportiert bis zum Abwinken und scheut noch so hohe Außenhandelsüberschüsse nicht, über die sich andere ärgern. Beide Wege sind höchst ungesund und führen in eine Wirtschaftskrise.

In Deutschland wird die Politik bisher offiziell nicht in Frage gestellt. Man ist noch mit Wortverdrehungen beschäftigt. Korrekturvorschlag für den Duden: Eine Lokomotive ist ein »Fahrzeug auf Schienen, das von den Eisenbahnwagen angeschoben wird«.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal