Friedenshoffnung in Kolumbien

Dialog zwischen Regierung und FARC könnte im Herbst beginnen

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 3 Min.
Die kolumbianische Regierung und die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) haben offenbar vereinbart, Friedensverhandlungen aufzunehmen. Nach fast einem halben Jahrhundert der Gewalt keimt Hoffnung im südamerikanischen Staat.

Ein Friedensdialog solle bereits im November in der norwegischen Hauptstadt Oslo beginnen, meldete der Fernsehsender Telesur am Montag. Andere Medien berichteten, die Verhandlungen sollten bereits am 5. Oktober in Oslo beginnen und in Kuba fortgesetzt werden. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos bestätigte noch am Montag, dass die Regierung »Sondierungsgespräche« mit der FARC führe. In den kommenden Tagen werde man die Ergebnisse der »Annäherung« an die FARC bekannt geben. Der Staatschef verwies darauf, dass auch das Heer zur Nationalen Befreiung (ELN), die kleinere Guerillaorganisation, Interesse an einem Friedensdialog bekundet habe.

Spekulationen über einen Kurswechsel des Präsidenten im Konflikt mit der Guerilla kursierten seit einiger Zeit. Nahrung erhielten sie vergangene Woche, als das Kabinett zur Halbzeit der vierjährigen Amtsperiode von Santos geschlossen seinen Rücktritt einreichte. Der Präsident habe nun freie Hand, um mit neuen Gesichtern einen Dialog mit der Guerilla aufzunehmen, hieß es.

In seiner Erklärung formulierte Santos drei Prinzipien auf: Erstens solle aus Fehlern der Vergangenheit gelernt werden, zweitens müsse jeder Prozess zum Ende des Konflikts führen, nicht zu seiner Verlängerung, und drittens werde die militärische Präsenz der Regierungskräfte »auf jedem Zentimeter des nationalen Territoriums« aufrechterhalten.

Damit grenzt sich Santos deutlich von früheren Versuchen einer Konfliktlösung durch Verhandlungen ab. Unter Präsident Andrés Pastrana (1998-2002) wurde der Dialog in einer entmilitarisierten Zone in der Region San Vicente del Caguán geführt. Die militärischen Operationen in der Region wurden eingestellt und die Soldaten abgezogen, die Gespräche aber scheiterten letztlich.

Schon zu Beginn seiner Amtszeit hatte Santos die Gültigkeit des Gesetzes verlängert, das den Gesprächen unter Pastrana zu Grunde lag. Doch wurde es in zwei Punkten modifiziert: Ein künftiger Dialog muss an einem neutralen Ort im Ausland stattfinden und es darf keinerlei neutrale Zone in Kolumbien geben. Folglich könnte auch die seit Februar laufende militärische Offensive gegen die FARC fortgesetzt werden.

Dass Santos jedoch tatsächlich einen Dialog mit der Guerilla anstrebt, war spätestens seit Mitte Juni klar. Damals verabschiedete der Senat ein Gesetz, das den Rahmen für einen Friedensprozess bestimmte. Dazu wurde eigens die Verfassung geändert. Eine Rückkehr der Guerilleros ins zivile Leben setzt demnach voraus, dass sie ihre Waffen niederlegen, alle Geiseln und Kindersoldaten freilassen, Verantwortung für ihre Taten übernehmen und sich bereit erklären, die Opfer zu entschädigen. Ausdrücklich ausgeschlossen sind Kämpfer, die am Drogenhandel beteiligt waren oder schwere Menschenrechtsverbrechen begangen haben.

Der Rundfunksender RCN berichtete, die »Sondierungsgespräche« hätten in Kuba stattgefunden. Auch die Regierungen Venezuelas und Chiles hätten ihren Beitrag zum Zustandekommen geleistet. Santos' Vorgänger Alvaro Uribe hatte entsprechende Kontakte in der vergangenen Woche als »unbegreiflich« bezeichnet, wogegen laut einer Umfrage in Kolumbien 74,2 Prozent der Befragten einen Friedensdialog gutheißen.

Der Konflikt zwischen FARC und dem Staat hatte 1964 begonnen. Schätzungen zufolge haben die militärischen Auseinandersetzungen und Anschläge, an denen auch andere Guerillagruppen und rechte Paramilitärs beteiligt sind, mehr als 200 000 Menschenleben gekostet. Sollte in den künftigen Gesprächen tatsächlich ein Durchbruch gelingen, dürften die Beteiligten durchaus als Anwärter für den Friedensnobelpreis gelten.

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