Musterklagen für Altanschließer

Antrag der CDU macht unterschiedliche Auffassung in rot-roter Koalition sichtbar

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit einem parlamentarischen Antrag in Sachen Altanschließer macht die oppositionelle CDU unterschiedliche Positionen der Regierungsparteien SPD und LINKE sichtbar. Die Frage ist, ob gesetzlich geforderte Musterprozesse den beinahe flächendeckenden Streit um Beiträge endlich zu einem Abschluss bringen können.

Angesichts der Vielzahl der Klagen und Widersprüche gegen die Bescheide der Wasser- und Abwasserzweckverbände will die CDU Musterverfahren verbindlich machen, in denen gleichsam für alle eine Vorentscheidung oder sogar endgültige Entscheidung gefällt wird. Das Risiko bei einer Einzelklage ist dem Abgeordneten Henryk Wichmann zufolge unvertretbar, denn bei einem Gebührenbescheid von über 2500 Euro würde für den klagenden Grundstückbesitzer schon ein Prozesskostenrisiko von 1500 Euro entstehen. Der Politiker verwies auf Mecklenburg-Vorpommern, wo Musterverfahren zur Anwendung kommen. Justizminister Volkmar Schöneburg (LINKE) »müsste eigentlich dafür sein, denn dieser Weg würde zu einer Entlastung der Gerichte führen«, sagte Wichmann.

Der Abgeordnete ließ indes keinen Zweifel daran, dass seine CDU-Fraktion die Entscheidung der rot-schwarzen Vorgängerregierung billigt, Altanschließer »an Investitionen seit 1990 zu beteiligen«. Die CDU »steht zu dieser Rechtslage«. Ein solches Vorgehen gebiete der Gleichbehandlungsgrundsatz. Damals entschieden SPD und CDU gegen die von den Sozialisten angeregte Verjährung der Forderungen.

Allerdings gebe es immer auch einen Spielraum bei der Ausgestaltung, meinte Wichmann jetzt. Die Bürger müssten ein Instrument in die Hand bekommen, mit dem sie sich gegen eventuell überhöhte und falsch berechnete Bescheide zur Wehr setzen können. Zahlen sollen Hauseigentümer, deren Grundstücke bereits vor 1990 an das Trinkwassernetz beziehungsweise an die Kanalisation angeschlossen worden sind. Wichmann weiß, dass sich die geforderten Beträge an der Grundstücksgröße orientieren und dass leicht einmal »zwischen 30 000 und 40 000 Euro zusammenkommen« können.

Mit dem Vorstoß der CDU »könnte endlich wieder Bewegung in die verfahrene Lage der Altanschließer kommen«, meinte Maren Kern vom Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen.

Die Möglichkeit eines Verbandsklagerechtes »ist eine Sache, über die man nachdenken muss«, sagte Linksfraktionschef Christian Görke. Allerdings sei ihm auch bewusst, dass der Koalitionspartner SPD darüber anders denke. Daher werde sich seine Fraktion der CDU nicht anschließen, aber auf anderen Wegen dieses Anliegen weiterverfolgen.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Holzschuher zeigte sich wenig zugänglich. Es sei dem Gesetzgeber bei diesem Thema nicht möglich, abstrakt und pauschal Musterprozesse vorzugeben, weil »jeder Fall anders liegt«, argumentierte er. Ihm scheine die Regelung in Mecklenburg-Vorpommern aus diesem Grunde wenig geeignet, doch werde das Innenministerium die Erfahrungen im Nachbarland auswerten. Da es sich um eine rein kommunale Angelegenheit handle, könne »von oben« nichts erzwungen werden. »Jeder Verband ist gut beraten, so zu entscheiden, dass der Frieden in seiner Region bewahrt wird.«

Auch Holzschuher sagte, er halte das Heranziehen der Altanschließer bei der Finanzierung von Investitionen nach der Wende für gerechtfertigt. Zahlen müssten schließlich auch die Neuanschließer, und weil lange der Beitrag der Altanschließer fehlte, »haben die möglicherweise zu viel bezahlt«. Das könnte in einer Gebührensenkung ausgeglichen werden. Holzschuher sprach davon, dass es in zehn Prozent der Fälle »massive Probleme« gebe.

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