Bäumchen wechsle dich

Britischer Premierminister Cameron baut sein Kabinett ausgiebig um - und rückt nach rechts

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 2 Min.
Zur Halbzeit wechseln Fußballtrainer und Premierminister gewöhnlich einige Nieten aus, damit das Spiel besser wird. Bei David Camerons Kabinettsumbildung verloren jetzt unter anderem die Tory-Generalsekretärin, Baronin Sajeeda Warsi, Justizminister Ken Clarke, Umweltministerin Caroline Spelman und Wales-Ministerin Cheryl Gillan ihre Jobs.

Bei Warsi und Clarke ist sogar ein Quäntchen Mitleid am Platz. Die erste Muslima als Kabinettsmitglied, dazu noch eine Frau aus einer nordenglischen Großstadt, mit einem guten Draht zu anderen Briten pakistanischer Abstammung: Gruppen, bei denen reiche Tory-Granden wie Cameron schlecht ankommen. Trotzdem ließ sie der Premier durch den früheren Internetunternehmer Grant Shapps ersetzen, wohl wegen dessen Allgegenwart in den Medien.

Ken Clarke, ehemaliger Justizminister, Europa- und Jazzfreund und auch sonst ein fideler Kerl, galt als gemäßigtes Aushängeschild, der eher an die Resozialisierung als an die strenge Bestrafung von Inhaftierten glaubte. Nachfolger Chris Grayling, ein echter Ordnungspolitiker, wird wohl mehr Gefängnisse bauen wollen und sich mit der europäischen Menschenrechtsgesetzgebung anlegen. Kurz: ein doppelter Ruck nach rechts.

Das Gleiche gilt für weitere Umbesetzungen. Gillan, die einen Wahlkreis nördlich von London vertritt, verlor den Wales-Posten, weil sie gegen eine geplante Neubaustrecke der Bahn opponierte, also die Interessen ihrer Wähler verteidigen wollte. Verkehrsministerin Justine Greening widersetzte sich dem Wunsch von Finanzminister George Osborne nach einer neuen Startbahn am Flughafen Heathrow. Sie wurde ins Entwicklungshilfeministerium weggelobt, darf also in Zukunft über ihre Wähler in Putney an der Themse nach Herzenslust hinwegfliegen. Der frühere Nordirlandminister, Owen Paterson, verlässt die gerade von Krawallen in Belfast erschütterte Provinz, um sich um den Umweltschutz zu sorgen. Der wegen seiner Privatisierungspläne für den staatlich finanzierten Gesundheitsdienst unbeliebte Andrew Lansley wird zum Parlamentarischen Geschäftsführer degradiert. Aber auch hier ist kein Jubel ausgebrochen: Sein Nachfolger wird der Kulturminister und Rupert Murdoch-Bewunderer Jeremy Hunt, der den Gesundheitsdienst als Fehlgeburt betrachtet und noch schneller als Lansley an profitgierige US-Dienstleister verhökern möchte. Dass der Rechtsliberale David Laws, wegen getürkter Spesen und Veruntreuung 2010 nach nur zwei Wochen aus dem Kabinett geschasst, ins Bildungsministerium kehrt, macht das Wechselspiel komplett.

Fast noch aufschlussreicher ist jedoch die Liste der Bleibenden. Finanzminister Osborne, der Reiche belohnt, Arme und Kranke bestraft und die Wirtschaft seit neun Monaten in die Rezession treibt, ist Camerons Duzfreund. Der streichwütige Sozialminister Iain Duncan Smith, der kriegslüsterne Außenminister William Hague, Bildungsminister Michael Gove, der die staatlichen Schulen verkommen lässt, weil Konservative ihre Kinder ohnehin in teure Eliteschulen schicken.

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