Sender mit Kommunikationsproblem

Im Zuge der Reform des Offenen Kanals Alex wurden auch Nutzer vergrätzt

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 6 Min.
Seit 2009 heißt der Offene Kanal »Alex Berlin«. Hier können Volljährige mit Wohnort im Bundesgebiet Radio und Fernsehen machen. Alex stellt die technische Infrastruktur und bietet Weiterbildungen an. Rund um die Uhr ist Alex im Kabelnetz auf 92,6 MHz zu empfangen. Montags bis donnerstags ist das Radioprogramm von 12 bis 19 Uhr, sonst bis 20 Uhr auch auf UKW bei 88vier hörbar. Das komplette Programm kann auch unter www.alex-berlin.de verfolgt werden. Alex hatte zuletzt ein Jahresbudget von 1,65 Millionen Euro.

Das Urteil ist hart und es kommt von einem, der lange dabei war: »Volker Bach hat den Laden zum Nachteil aller Beteiligten umgekrempelt«, sagt Andreas Baier. Bach ist seit 2008 Leiter des Offenen Kanals, der seit 2009 »Alex« heißt.

Andreas Baier arbeitet beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) als Radiotechniker. Daneben ist er seit den 90er Jahren in privaten nicht-kommerziellen Medien tätig. Beim Offenen Kanal baute er den Vorgänger des »Ereignisfernsehens« mit auf, also die Dokumentation von Veranstaltungen. Bis 2011 habe er zehn Jahre lang die Berichterstattung vom Karneval der Kulturen moderiert, fügt er hinzu. Doch mittlerweile hat er mit Alex abgeschlossen.

»Unter Bach wurde begonnen, ein Reglement zu erarbeiten, auf dessen Grundlage man Leute von Sendungen ausschließen kann«, kritisiert Baier, der in einem Friedrichshainer Wohnhaus das »Studio Ansage« mit aufgebaut hat. Von hier senden viele Radiogruppen auf dem Mischsender 88vier (siehe Info-Kasten). Studio Ansage hatte auch einen Sendeplatz auf Alex, verlor den aber, als es 2011 eine 88vier-Sendelizenz erhielt - und zwar kurzfristig und ohne Vorwarnung, wie Baier sagt. Nicht einmal mehr eine mit einer Schulklasse zusammen produzierte Sendung habe gesendet werden können, obwohl das angekündigt und eine Prüfung seitens Alex zugesagt gewesen sei.

Größeren Unmut gab es schon 2010, als mehrere Radiosendungen aus dem UKW-Bereich rausfielen und nur noch im Kabelnetz senden durften. Da verzichten so manche lieber ganz. Baier kennt »mindestens 15 Sendenehmer, die so beschissen wurden - und das sind nur die Leute, zu denen wir zwischen 2008 und 2010 persönlichen Kontakt hatten.«

Eine dieser Gruppen ist Radio Aktiv. Das vorher jahrelang im Offenen Kanal sendende Jugendradio fühlt sich seit 2010 rausgeworfen und hatte sogar den Eindruck, das könnte mit seiner politischen Ausrichtung zu tun haben, wie ein Gruppenmitglied erklärt. Denn als damals die Sendeschienen turnusmäßig wieder vergeben wurden, sagte ein Alex-Mitarbeiter ihnen gegenüber, sie bräuchten sich nicht wieder zu bewerben, da sie automatisch berücksichtigt würden. Tatsächlich verloren sie dann aber ihren Sendeplatz. Das Formular für einen neuen Antrag habe es online nicht gegeben.

Besagter ehemaliger Alex-Mitarbeiter gibt heute gegenüber »nd« einen »formalen Fehler« seinerseits zu, verweist aber auf das Radio Aktiv gemachte Angebot, im Kabel zu senden. Anträge lägen zudem bei Alex aus. Hinzugefügt werden muss, dass Radio Aktiv ein eigenes Studio hat und nach eigenen Angaben selten ein Redaktionsmitglied das Alex-Gebäude betrat. Im Zuge der »nd«-Recherchen haben sich die beiden Parteien wieder zu einem Gespräch verabredet, um eine neue Zusammenarbeit auszuloten.

Das Grundproblem ist das, was Baier etwas zu unrecht »Ausschlussreglement« nennt. Bei Alex-Leiter Volker Bach heißt das »Qualitäts- und Servicemanagement«. Der von einer Fernsehproduktionsfirma gekommene ehemalige Journalist hatte den Auftrag des Abgeordnetenhauses, den Sender zu reformieren. Bis 2008 habe es einen Nutzerrückgang gegeben, sagt der 45-Jährige. »Wir haben eine Menge erreicht. Alex hat jetzt mehr Qualität und mehr Produzenten.« Seit 2008 habe es einen Anstieg von 30 Prozent bei den »Produzenten« gegeben, wie Bach statt »Nutzer« lieber sagt.

Den Begriffswandel begründet er damit, dass sich auch die Klientel erweitert habe: auf Leute, die aus der Branche kämen und sich auf Alex ausprobieren wollten. »Die Hälfte der heutigen Produzenten ist nach 2008 dazu gekommen«, so sein Fazit.

Dem klassischen Auftrag eines Offenen Kanals will Bach unter anderem mit Leitbegriffen wie »reale Partizipation« entsprechen. Wenn ein Sender unattraktiv ist, werden die Sendungen kaum wahrgenommen, und dann kann auch nicht wirklich von einer aktiven Partizipation potenziell aller Menschen an der Medienlandschaft die Rede sein, so die Argumentation. Also startete Bach eine Qualitätsoffensive.

»Das hat zwei Säulen«, erklärt der Alex-Chef. »Zum einen bewerten wir die inhaltliche und technische Gestaltung der TV- und Radiosendungen und leiten daraus Empfehlungen ab, vor allem für den Besuch unserer Fortbildungskurse. Zum anderen vergeben wir dementsprechend Sendeflächen. Das ist unser Angebot. Wer das nicht möchte, kann nach wie vor in unseren freien Flächen morgens und nachts senden.« Der Zugang zu Alex habe sich prinzipiell also nicht erschwert. »Es gibt aber bei einem Bürgersender, wie in jeder Demokratie, Rechte und Pflichten. Die Ressourcen sind begrenzt«, so Bach.

Deshalb sei lange an einem möglichst transparenten Verfahren für die Programmgestaltung gearbeitet worden, sagt der Alex-Direktor. »Es ist ein faires Verfahren. Die steigenden Hörerzahlen, auch online, geben uns Recht«, so sein Fazit. Im Zuge des »Qualitäts- und Servicemanagements« werde mit allen Sendungsmachern gesprochen. »Dadurch haben sich die allermeisten Sendungen deutlich verbessert«, erklärt Bach, sagt aber auch: »Nicht alle sind den Weg mitgegangen.«

Einer, der da nicht mit will, ist Andreas Baier. Er klagt, ihm sei seine Sendungsevaluation, für die in der Alex-Satzung relativ ausführliche Kriterien angegeben werden, vorenthalten worden: »Uns wurde gesagt: Die Evaluation ist intern, die kriegt ihr nicht.« Baier sieht bei Alex ein Kommunikationsdesaster. Kritik, etwa an kurzfristigen und eigenmächtig vorgenommenen Veränderungen von Sendeplätzen, sei rigoros abgebügelt worden. »Man kann sich nicht einbringen, man wird nicht ernst genommen«, so seine Erfahrung.

Wie schlecht die Kommunikationskultur bei Alex sein kann, zeigen, neben den Fällen von Studio Ansage und Radio Aktiv, auch zwei dem »nd« berichtete Fälle aus Radio und TV, bei denen erfahrenen Sendungsmachern monatelang das Senden angeblich unmöglich oder zumindest sehr unattraktiv gemacht worden sei. Selbst zu Beleidigungen seitens eines Alex-Angestellten soll es dabei gekommen sein. Frank Saalfeld, langjähriger Sendungsmacher und angebliches Opfer dieser Behandlung, mutmaßt, die neue Ausrichtung des Senders könne einzelne Angestellte zu persönlichen Kriterien und unangemessenem Verhalten einzelnen Sendewilligen gegenüber verleiten.

Volker Bach verweist darauf, dass eine neue Ausrichtung explizit vom Abgeordnetenhaus gewünscht war. Doch der entsprechende Beschluss zur Modernisierung und Qualitätssteigerung ist relativ kurz und unkonkret. Was Bach daraus macht, wird auch aus berufenem Mund kritisch kommentiert.

So sieht Markus Beckedahl, Angehöriger des siebenköpfigen Medienrats der Medienanstalt, zwar das Bestreben nach Qualitätssteigerung positiv. Er berichtet aber auch, dass der Medienrat Volker Bach schon einmal zurückpfeifen musste. »Es wird im Medienrat darauf geachtet, dass Alex nicht der zweite RBB wird«, sagt der bekannte Publizist.

»Ich habe den Eindruck: Wenn der Medienrat nicht bremsen würde, würde der Untertitel ›Offener Kanal‹ bei Alex wegfallen«, sagt auch Jürgen Linke, vor Bach langjähriger Leiter des damals schlicht OKB heißenden Senders. Linke ist weiterhin im Bundesverband der Offenen Kanäle aktiv und war »erstaunt« über »völlig neue Aspekte in der Alex-Satzung« von 2010. »Was bedeutet ›Qualität‹ in einem Bürgersender?«, fragt er kritisch. Auch Linke hat nichts gegen höhere Ambitionen. »Aber man muss immer sehen: Wo sind die Grenzen, und was ist der Auftrag?«


Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (Mabb) ist eine unabhängige Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie beaufsichtigt den privaten Rundfunk und regelt die Frequenzvergabe. Auch die Förderung von Angebotsvielfalt und Medienkompetenz obliegt ihr. Entscheidendes Organ ist der Medienrat, dem sieben ehrenamtliche, von den Länderparlamenten Berlins und Brandenburgs bestimmte Mitglieder angehören. Die Mabb erhält zwei Prozent des Aufkommens an Rundfunkgebühren in Berlin und Brandenburg, rund 6,8 Millionen Euro.

Der Sender 88vier ist die von der Mabb seit Mai 2010 unterhaltene Plattform für privates nicht-kommerzielles Radio. Hier finden sowohl Freie Radiogruppen ihren Platz als auch ein Teil des Kabelprogramms von Alex sowie Ausbildungsprojekte. Die Sendezeiten wurden zunächst jährlich, nun zweijährlich ausgeschrieben.

Die Sendeabwicklung übernimmt Alex. Gesendet wird im Berliner Zentrum auf 88,4 MHz und in Teilen Potsdams und Südwestberlins auf 90,7 MHz. Die 88vier ist unter anderem deshalb in der Kritik, weil nur eine Minderheit der Berliner sie empfangen kann. rhu

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