Erbstreit am Disibodenberg

Das einstige Kloster der Hildegard von Bingen ist in schlechtem Zustand – die Lage ist kompliziert

  • Lesedauer: 3 Min.
In Rheinland-Pfalz beschäftigen ein Museum ohne Strom, defekte Kassenautomaten und verschlossene Toiletten derzeit Ministerien und Parlament. Es geht um die Ruine Disibodenberg – in dem früheren Kloster dort lebte lange Jahre Hildegard von Bingen. Der Papst will sie demnächst zur Kirchenlehrerin erklären, erst im Mai war sie heiliggesprochen worden.
Mainz (Agenturen/nd). Das Kloster auf dem Disibodenberg, ein sanfter Hügel im Nahetal, war 38 Jahre lang die Heimat der Hildegard von Bingen (1098-1179). Vor den Mauerresten des ehemaligen Frauentraktes, ihrem Wohnort, wachsen heute Rosen – die einzigen auf dem Gelände. Ansonsten haben die Bäume die Bergkuppe mit den Überresten der beeindruckenden Klosteranlage zurückerobert. Sie ragen in der ehemaligen Abteikirche auf, deren Grundriss erhalten wurde, im Hospiz und Kreuzgang, im Versorgungs- und Laientrakt und der Laienkapelle.

Das Museum ist geschlossen, das Eingangstor mit Kassenautomat ist außer Betrieb, die Toiletten sind zu. Im Nahetal wird seit mehr als anderthalb Jahren darüber gestritten, wie sich das in Privatbesitz befindliche Klostergelände Touristen und Pilgern präsentieren sollte. »Ich darf keine Führungen mehr auf dem Berg anbieten«, erzählt Manfred Geib vom Förderverein. Kurz vor der geplanten Erhebung der populären Heiligen zur Kirchenlehrerin ist die Hildegard-Ruine auch in der Landeshauptstadt Mainz zum Politikum geworden. Die zum Erhalt des Geländes und zur Einrichtung eines Museums von der Eigentümer-Familie gegründete private »Scivias-Stiftung« ist offenkundig mit ihrer Aufgabe überfordert. Bereits 2011 wurde das mit gut 300 000 Euro vom Land geförderte Besucherzentrum geschlossen, weil die Stiftung kein Geld mehr für eine Aufsicht hatte. Das Verhältnis zwischen Lokalpolitik, dem örtlichen Förderverein und dem Stiftungsvorstand gilt als zerrüttet. Für zusätzliche Aufregung sorgte zuletzt die Nachricht, dass der »Scivias«-Vorstand das Grundstück mit dem Museum an die Vorstandsfamilie, also an sich selbst, zurückübertragen hatte.

»Wenn man öffentliche Gelder mit Zweckbindung bekommt, kann man doch nicht einfach sagen: Das ist jetzt alles meins«, ärgerte sich die örtliche Landtagsabgeordnete Bettina Dickes (CDU). Die Ereignisse legten die Vermutung nahe, dass die Familie, die neben dem offiziellen Touristeneingang ein Weingut betreibt, kein Interesse mehr an Besuchern habe. Stiftungsvorstand Matthias Adams dementiert dies. Auf Nachfrage erklärte er, die »Scivias-Stiftung« wolle sanften Tourismus auf dem Berg, habe kein Geld für eine Aufsicht und könne das Museum deshalb nicht weiterbetreiben. Der Grundstücksverkauf habe zurückabgewickelt werden müssen, weil die Verträge unwirksam gewesen seien.

Nun zeichnet sich eine erste Lösung ab: Wenigstens das Museum soll wieder öffnen. Das sagte der rheinland-pfälzische Kulturstaatssekretär Walter Schumacher (SPD) am Donnerstag in Mainz. Luise von Racknitz-Adams von der privaten Stiftung habe ihm zugesichert, dass dies mit ehrenamtlichen Helfern geschehen solle, ergänzte er im Kulturausschuss des Landtags. Am 24. September soll ein Runder Tisch in Mainz dann nach einer langfristigen Lösung suchen.

Schumacher betonte, die Klosterruine sei jederzeit für Besucher zugänglich. Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier prüfe derzeit als Stiftungsaufsicht die Eigentumsverhältnisse. Dabei sei mit einem Abschluss nicht vor Oktober zu rechnen.
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