Alle Menschen sind gleich, einige gleicher
»Schwachen Schülern ist am besten geholfen, wenn wir akzeptieren, dass nicht alle gleich sind«, schreibt Thomas Kerstan, in der Wochenzeitung »Die Zeit«. Der Satz hat es in sich. Zum einen ist er redundant. Wir sind in der Tat unterschiedlich. Man stimmt dem also zu und übersieht dabei, wie selbstverständlich die Formulierung »schwacher Schüler« mit »sozial schwach« assoziiert wird. Offensichtlich gebären alle bildungsaffinen Menschen bildungshungrige und bildungsstarke Kinder, womit wir bei der dritten Aussage dieses Satzes ankommen: Alle Menschen sind unterschiedlich, nur gibt es welche, die gleicher sind, die Bildungsbürger. Die gilt es zu schützen. Mitnichten verliert Kerstan dabei die Bildungsverlierer aus dem Auge, man müsse sich sogar um sie kümmern. Aber er will gesellschaftliche Akzeptanz dafür, dass »herkunftsbedingte Bildungsunterschiede« nicht nivelliert werden. Dazu postuliert er das »Bildungsminimum« als neues Bildungsziel, das laut dem Bildungstheoretiker Elmar Tenorth aus »grundlegenden Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen auf einem Niveau besteht, das eine Berufsausbildung ermöglicht«. Nonchalant reduziert Kerstan arme Menschen auf dieses Niveau, ein Minimum an Gleichheit jenseits seiner Schicht. Der Rest kauft sich das notwendige Mehr an Bildung.
Es gäbe aber auch eine Alternative: Holen wir doch die Bildungsbürger mit ins Boot und geben wir ihnen die Chance, über Steuern Schule so zu gestalten, dass mehr als ein Bildungsminimum für die Ärmeren dieser Gesellschaft drin ist. Auch, damit die »Zeit« morgen noch kritische Leser hat.
Die Autorin ist Erziehungswissenschaftlerin und lebt in Berlin.
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