Zahl der Asylbewerber steigt

Plätze in Wohnungen reichen nicht mehr aus: Lichtenberg richtet Notunterkünfte ein

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach Angaben des Bezirksamtes Lichtenberg richtet Berlin derzeit Notunterkünfte für Asylbewerber her, weil die Plätze in Wohnungen und regulären Asylbewerberheimen nicht mehr ausreichen. So richte das Land gerade in der Nähe des S-Bahnhofes Storkower Straße eine solche Notunterkunft für 150 Bewohner ein, erklärt Lichtenbergs Gesundheitsstadträtin Christina Emmrich (LINKE) gegenüber »nd«. Das Land plane weitere Notunterkünfte für »hunderte Menschen in Lichtenberg«. In die Notunterkünfte kommen Menschen, die eigentlich in der Zentralen Erstaufnahmestelle untergebracht werden müssten, dort aber wegen Überfüllung abgewiesen werden müssen.

Laut offizieller Statistik kamen in den ersten acht Monaten diesen Jahres 3700 Asylbewerber neu nach Berlin - so viele wie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr. Damit setzt sich der Trend steigender Asylbewerberzahlen fort. Wegen der Situation im Nahen Osten sind auch in Zukunft hohe Zahlen wahrscheinlich.

Die Situation ist zusätzlich erschwert, weil Flüchtlinge auf dem engen Berliner Wohnungsmarkt kaum noch Wohnungen finden. Die ehemalige rot-rote Landesregierung hatte deswegen 2011 mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ein Kontingent für Flüchtlinge in Wohnungen vereinbart.

Die Vereinbarung gilt auch unter Rot-Schwarz. Aber die Wohnungsbaugesellschaften halten sich nicht daran. Dadurch können Flüchtlinge nicht aus Heimen ausziehen und die vorhandenen sind völlig überfüllt. In der Spandauer Motardstraße beispielsweise sind derzeit mehr als 500 Menschen untergebracht. Dabei sollte das auf nur 400 Bewohner ausgelegte und völlig heruntergekommene Heim eigentlich in diesem Jahr geschlossen werden. Davon ist keine Rede mehr.

Lichtenbergs Gesundheitsstadträtin Christina Emmrich fordert zusammen mit ihrem Bürgermeister Andreas Geisel kleinere Heime, »weil Großheime mit bis zu 400 Bewohnern unvermeidlich zu Konflikten zwischen den Bewohnern und im Wohngebiet führen. Diesen muss rechtzeitig und sachlich fundiert entgegengewirkt werden«, wozu das Land Sozialarbeiter bereitstellen müsse. Solche Spannungen gebe es bereits in einem und um ein Heim in der Werneuchener Straße in Hohenschönhausen. Hier meldet die Polizei regelmäßig gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den Bewohnern. Aber auch Nachbarn würden sich über Lärm beschweren. Emmrich sieht zu einem guten Teil den Heimbetreiber in der Verantwortung, der hier besser mit Sozialarbeitern arbeiten müsste. »Aber vor allem fordere ich von dem Land Berlin endlich ein Konzept.«

So stelle Lichtenberg mit mehr als 1000 Plätzen in Asylbewerberheimen schon jetzt fast ein Drittel aller Plätze in Berlin. Lichtenberg sei, so die Stadträtin, ein Bezirk, der sich dieser Verantwortung stelle und da gehe das Land möglicherweise des Weg des geringsten Widerstandes, wenn es in Lichtenberg weitere Plätze akquiriere. Wächst da in Lichtenberg möglicherweise ein neues Rassismusproblem? Emmrich: »Es gibt Bezirke, die sagen sich wohl, was geht uns fremdes Leid an und stellen gar keine Plätze.« Hier müsse ihrer Meinung nach die Landesregierung endlich ein Machtwort sprechen. »Es ist jetzt dringend an der Zeit, dass alle Bezirke ihrer Pflicht nachkommen.«

Das Land müsse zudem Infrastrukturhilfe bei den Schulplätzen leisten, fordern Geisel und Emmrich weiter. Ohne Hilfe vom Land sei die gesetzliche Schulpflicht nicht mehr zu gewährleisten. Auch die gesetzlich vorgeschriebenen Schuleingangsuntersuchungen könne Lichtenberg mangels Schulärzten bald nicht mehr leisten, so dass die Erfüllung der Schulpflicht nicht mehr gesichert sei.

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