Die Sonne rußt

Sterne produzierten aus Wasserstoff und Helium die chemischen Elemente - Gold, Silber und Uran entstehen nur bei den Schwergewichten unter ihnen

  • Kerstin Koch
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Planet Erde besteht im Wesentlichen aus den Elementen Sauerstoff, Silizium, Aluminium, Eisen und Kalzium. Wasserstoff und Helium dagegen sind nur in Spuren vorhanden. Ganz anders bei den Sternen, die wie zum Beispiel unsere Sonne hauptsächlich aus diesen leichten Elementen bestehen. Doch woher kommen die Elemente, die schwerer sind als Wasserstoff und Helium, wie sind sie entstanden? Dieser Frage geht ein Forscherteam um Prof. Dr. Detlef Schönberner vom Astrophysikalischen Institut (AIP) in Potsdam nach. Nach dem Urknall bestand die Materie im Universum aus ionisiertem Gas sehr hoher Temperatur, dem so genannten Strahlungsplasma. Die ersten Elemente waren ebenfalls gasförmig und ionisiert: Wasserstoff und Helium im Masseverhältnis vier zu eins, Spuren von Lithium - das Ausgangsmaterial der ersten Sterne. Entscheidend für die Entstehung weiterer Elemente - so Schönberner während des 76. Jahrestreffens der Astronomischen Gesellschaft vergangene Woche in Berlin - »ist die Anfangsmasse eines Sterns«. Denn bestimmte Drücke und Temperaturen - und damit eine bestimmte Mindestmasse - sind notwendig, damit das so genannte Wasserstoffbrennen im Kern eines Sterns einsetzt. Dann entsteht aus vier Wasserstoffkernen ein Heliumkern. Auf Grund der geringeren Masse von Helium gegenüber den vier Wasserstoffkernen werden bei der Kernfusion Wärme und Photonen frei gemäß der Einsteinschen Formel - Energie ist gleich Masse mal Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat. Diese Photonen bewegen sich unter ständiger Umwandlung allmählich durch den Stern nach außen. Ist der Wasserstoff im Wesentlichen verbraucht, beginnt das Heliumbrennen im Kern des Sterns, während der restliche Wasserstoff gewissermaßen in einer äußeren Hülle verbleibt. Die für diesen Prozess notwendigen Temperaturen liegen oberhalb 100 Millionen Grad Kelvin und werden nur in Sternen mit mindestens einer halben Sonnenmasse erreicht. Das Heliumbrennen bezeichnet Schönberner als Schlüsselreaktion, denn heraus kommt Kohlenstoff, die Grundlage des uns bekannten Lebens. Ist das Helium im Kern weitgehend verbrannt, sind Temperaturen von mehr als einer Milliarde Kelvin notwendig, um den im Kern befindlichen Kohlenstoff zu höheren Elementen zu fusionieren. Die Hitze bläht die Sterne zu Roten Riesen auf. Sind die Sterne zu massearm, endet die Kernfusion mit dem Heliumbrennen. Besitzt der Stern aber eine genügend große Anfangsmasse, dann setzt sich die Nukleosynthese, so der wissenschaftliche Ausdruck für die Fusionsprozesse, bis zum Element Eisen fort. Das hat einen stabilen Kern und so einen energetisch günstigen Zustand. »Für den Stern selbst und seinen Energiehaushalt ist dieser Prozess völlig unerheblich und macht nur einen Bruchteil seines Lebens aus. Denn 80 Prozent seiner Lebensdauer hat er schon für das Wasserstoffbrennen verbraucht«, erklärt Schönberner. Wie entstehen aber jene Elemente, die schwerer als Eisen sind, beispielsweise Gold oder Platin? Mit der Kernfusion ist bei Eisen Schluss, deshalb werden schwerere Elemente durch den so genannten Neutroneneinfang gebildet. Denn bei den Kernfusionen, die im Übergangsbereich zwischen Wasserstoffschale und dem Heliumkern der Sterne stattfinden, entstehen freie Neutronen. Diese bewegen sich ins Innere des Sterns und lagern sich im so genannten s-Prozess (von englisch slow=langsam) im Atomkern von Eisen oder bereits entstandenen schwereren Elementen an die positiv geladenen Teilchen an. Der Kern wird immer größer und instabiler. Der Beta-Zerfall setzt ein, Neutronen verwandeln sich durch Abstrahlen eines Elektrons in Protonen. Auf diese Weise entstehen sämtliche schwereren Elemente bis zum Uran. Daneben führen auch Supernova-Explosionen zur Bildung schwerer Elemente, allerdings nur in Sternen mit einer Anfangsmasse von mehr als 10 Sonnenmassen. Dort werden - nachdem große Mengen Eisen entstanden sind - die Kerne der Sterne durch Energieverluste instabil. Der Kern stürzt in sich zusammen, weil die Eigengravitation stärker ist als der Gegendruck der Wärmebewegung. Die äußere Hülle fällt nach, dabei entstehen Stoßwellen, die den Stern so aufheizen, dass in der Hülle Kernreaktionen ausgelöst werden, bei denen Neutronen frei werden. Die Elemente der äußeren Sternenschichten werden bei dieser sehr kurzen Neutronenbestrahlung in schwerere Elemente umgewandelt, die sofort mitsamt der Hülle in den interstellaren Raum geblasen werden. »Da dieser Prozess sehr schnell abläuft, wird er auch als r-Prozess (von englisch rapid=schnell) bezeichnet«, erläutert der Potsdamer Astrophysiker. Der Kern selbst wird bei sehr massereichen Sternen zu einem schwarzen Loch, sonst zu einem Neutronenstern. Bei diesen beiden Prozessen entstehen unterschiedliche Elemente. So entsteht das Element Barium in einem s-Prozess, Europium dagegen in einem r-Prozess. Und was passiert in Sternen von Sonnengröße, wo sich mangels Masse höchstwahrscheinlich kaum schwere Elemente bilden können? Sie sind wichtige Kohlenstofflieferanten für das Universum. Durch Mischvorgänge im Innern des Sterns gelangen die Elemente, insbesondere Kohlenstoff aus der Heliumfusion langsam aber stetig an die Sternenoberfläche und dann mit dem Sternenwind in den interstellaren Raum. Bei der schnellen Bewegung durch den Weltraum kühlt der ionisierte gasförmige Kohlenstoff schnell ab und kommt in einen amorphen festen Aggregatzustand. Sozusagen der erste Ruß im Weltall.
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