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Waffenruhe in Gaza eher unwahrscheinlich
Frankreichs Präsident Macron fordert Sanktionen gegen Israel, falls sich die humanitäre Lage nicht bessert
Wieder mal liegt ein Plan für eine begrenzte Waffenruhe im Gazastreifen auf dem Tisch, ausgebrütet vom US-Sondergesandten Steve Witkoff und mit hoher Wahrscheinlichkeit vorab abgestimmt mit der israelischen Regierung. Nun warte die Welt auf eine Antwort der Hamas, heißt es. Dabei sind die Koordinaten glasklar und für die Hamas wohl kaum akzeptabel.
Nach dem, was bisher aus Medienberichten bekannt ist, sieht Witkoffs neuer Vorschlag eine 60-tägige Waffenruhe vor. Des Weiteren sollen zehn im Gazastreifen festgehaltene Geiseln binnen einer Woche freigelassen werden und die Leichen von 18 Verschleppten übergeben werden. Im Gegenzug sollen 125 Palästinenser freikommen, die zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden waren, sowie mehr als 1000 Bewohner des Gazastreifens, die seit dem Terrorüberfall auf Israel am 7. Oktober 2023 festgenommen worden waren; außerdem ist die Übergabe der Leichen von 180 Palästinensern vorgesehen.
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Gespräche über Ende des Krieges während Feuerpause
Den Berichten zufolge sollen während der zweimonatigen Waffenruhe Gespräche über ein Ende des Kriegs geführt werden. Sollten sich die Kriegsparteien einigen, würden die verbliebenen Geiseln und die sterblichen Überreste anderer Verschleppter übergeben werden. Israelischen Angaben zufolge werden derzeit noch mindestens 20 lebende Geiseln im Gazastreifen festgehalten.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu könnte mit diesem Waffenruhe-Deal die Angehörigen der noch festgehaltenen Geiseln vorübergehend zufriedenstellen, muss aber nicht von seinem Ziel abrücken, den Krieg bis zur völligen Vernichtung der Hamas und der Vertreibung der Palästinenser weiterzuführen.
Wenig Hoffnung auf Zustimmung durch Hamas
Die Hamas prüft den US-amerikanischen Vorschlag noch, zeigt sich aber eher skeptisch. Basem Naim, Mitglied des Politbüros der Hamas, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass das Abkommen »keiner der Forderungen unseres Volkes entspricht, vor allem nicht der Forderung nach Beendigung des Krieges«. Auch Hamas-Vertreter Sami Abu Zuhri sagte, dass das Abkommen keine Verpflichtungen Israels zur Beendigung seines Krieges gegen Gaza, zum Abzug der israelischen Truppen aus dem Gebiet oder zur freien Einfuhr von Hilfsgütern in das vom Krieg zerstörte Gebiet enthalte.
Diese Aussagen sprechen nicht dafür, dass die Hamas dem Vorschlag zustimmen wird – was ein willkommener Anlass für Netanjahu wäre, den Krieg mit noch größerer Gewalt weiterzuführen und der Hamas dafür die alleinige Verantwortung zuzuschieben. Israels rechtsextremer Minister für Nationale Sicherheit Itamar Ben Gwir hat bereits eine Offensive mit »voller Härte« im Gazastreifen gefordert, da die Hamas kühl auf den US-Vorschlag für eine Waffenruhe reagiert habe. Es sei an der Zeit, »ohne mit der Wimper zu zucken« voranzugehen, die »Hamas zu zerstören und bis zum letzten Mann zu töten«, erklärte Ben Gwir am Freitag im Onlinedienst Telegram.
»Die Besatzungsmacht blockiert absichtlich Hilfe für den Gazastreifen.«
Jens Laerke Sprecher des UN-Nothilfebüros in Genf
Aus den bisherigen Verhandlungen ist Israel und den USA bekannt, dass die Hamas auf ein vollständiges Ende des Kriegs und dem Abzug der israelischen Truppen besteht. Der US-Plan trägt dem nicht Rechnung, sondern dem Interesse der Regierung Israels, den Krieg nach einer Pause wieder aufnehmen zu können und die Kontrolle über den Gazastreifen zu behalten.
Eine Atempause von den Bombardements wäre eine Erleichterung für die Menschen im Gazastreifen, aber danach sieht es derzeit nicht aus. Die humanitäre Lage bleibt weiter prekär, auch wenn die umstrittene Gaza Humanitarian Foundation (GHF) angibt, seit Beginn ihrer Arbeit vor wenigen Tagen mehr als zwei Millionen Mahlzeiten verteilt zu haben, entsprechend mehr als 23 000 verteilten Lebensmittelpaketen. Bisher seien drei Verteilungszentren der Stiftung im Gazastreifen geöffnet.
UN beklagt Blockadepolitik der israelischen Behörden
Die Vereinten Nationen haben zuletzt knapp 600 Lastwagenlieferungen durch den israelischen Grenzposten Kerem Schalom in den Gazastreifen gebracht. Die Verteilung an Bedürftige sei aber kaum möglich, sagte der Sprecher des UN-Nothilfebüros in Genf, Jens Laerke. Die vom israelischen Militär zugewiesenen Straßen seien teils zu gefährlich und überfüllt. Manchmal würden Fahrgenehmigungen kurzfristig annulliert. Laerke kritisierte die israelischen Behörden scharf. »Die Besatzungsmacht blockiert absichtlich Hilfe für den Gazastreifen«, sagte er. Nirgendwo anders auf der Welt und in vergangenen Jahrzehnten sei eine humanitäre Operation derart behindert worden. Er sprach von einer organisatorischen »Zwangsjacke«.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert daher eine härtere Haltung der Europäer gegen Israel, sollte sich die Situation im Gazastreifen nicht bessern. Dies bedeute, »Sanktionen zu verhängen«, sagte Macron am Freitag in Singapur. »Wir müssen unsere Position verschärfen, weil das heute notwendig ist, aber ich habe noch Hoffnung, dass die israelische Regierung ihre Haltung ändert und dass wir endlich eine humanitäre Lösung finden werden«, sagte der französische Präsident weiter.
Israelische Regierung will Westjordanland annektieren
Doch auch an einer anderen Front missachtet die israelische Regierung geltendes Völkerrecht: So plant sie die Annexion des Westjordanlands. Israels Verteidigungsminister Israel Katz hat die Errichtung eines israelischen Staates auf dem Gebiet des besetzten Westjordanlands angekündigt. »Wir werden den jüdischen israelischen Staat hier auf diesem Boden errichten«, erklärte Katz am Freitag bei einem Besuch im Norden des Palästinensergebiets. Am Donnerstag hatte die israelische Regierung den Bau von 22 neuen Siedlungen im besetzten Westjordanland angekündigt, obwohl dies nach internationalem Recht illegal ist.
Katz bezeichnete seine Ankündigung am Freitag als »entschiedene Antwort auf die terroristischen Organisationen, die versuchen, unserer Kontrolle über dieses Land zu schaden und sie zu schwächen«. Außerdem handele es sich um »eine klare Botschaft« an Frankreichs Präsident »Macron und seine Partner«: »Sie werden einen Palästinenserstaat auf dem Papier anerkennen – aber wir werden den jüdischen israelischen hier auf diesem Boden errichten«, sagte Katz. Mit Agenturen
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