Charité klingt besser als ZUMB

Universitäten akzeptieren im Prinzip Expertenvorschläge zur Zukunft der Hochschulmedizin

Am Nordeingang des Universitätsklinikums Benjamin Franklin (UKBF) in Steglitz liegen Listen aus. 262118 Bürger haben bis Montag unterschrieben. Sie wollten damit frühere Pläne der SPD/PDS-Koalition verhindern, aus dem Klinikum ein normales Krankenhaus zu machen. Das sollte 98 Millionen Euro sparen. Wie es aussieht, kann das UKBF den Stand mit den Listen getrost abbauen. Die vom Senat eingesetzte Expertenkommission hat am Montag einen Vorschlag gemacht, wie das Geld auf anderem Wege eingespart werden kann. Diesen Vorschlag billigten die betroffenen Universitäten und Kliniken am Dienstag. Damit ist der Weg frei für die von den Experten anvisierte Neuordnung der Berliner Hochschulmedizin, meint Torsten Wöhlert, Sprecher von Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS). Wenn die Universitäten akzeptieren, sei der Senator »mehr als zufrieden«. Schließlich habe Flierl die Kommission auf den Weg gebracht. Nach Expertenmeinung soll es künftig eine medizinische Fakultät geben, die zugleich an Humboldt-Universität (HU) und Freier Universität (FU) angesiedelt wird. Die zwei Charité-Standorte in Mitte und Wedding und das UKBF bilden danach gemeinsam das Zentrum Universitäre Medizin Berlin (ZUMB). Besonders zufrieden zeigte sich gestern die Freie Universität. An den jeweiligen Standorten die starken Bereiche zu erhalten und die schwachen notfalls zu schließen, sei ein Schritt in die richtige Richtung, lobte FU-Präsident Peter Gaethgens. UKBF-Verwaltungsdirektor Peter Zschernack hält es für machbar, in der Berliner Hochschulmedizin tatsächlich 98 Millionen Euro weniger auszugeben. Dazu müssten 20 Millionen Euro Sachkosten eingespart und bis 2010 insgesamt 2500 Stellen gestrichen werden. Allerdings gebe es im UKBF mit seinen 5000 Mitarbeitern derzeit nur 50 Anträge auf Vorruhestand. Betriebsbedingte Kündigungen schloss Zschernack aus. Ohnehin sei ein Großteil der Beschäftigten »unkündbar«. Vorstellen kann sich der Verwaltungschef, dass Fremdfirmen ihre Aufträge verlieren und »wir zeitweise wieder selbst sauber machen«. Trotz alledem benötigt das Benjamin-Franklin-Klinikum noch weitere Hebammen und OP-Schwestern. Diese müssen neu eingestellt werden. Um trotzdem die Zahl der Mitarbeiter zu senken, möchte Zerschack diese mit Abfindungen zum Gehen überreden. Doch auch hier gibt es Hindernisse. Derzeit werden in der Charité Abfindungen von bis zu 25000 Euro gezahlt, so der Personalratsvorsitzende Ingo Zeplien. Eine einfache Krankenschwester erhalte entsprechend sehr viel weniger. Angestellten des Landes Berlin winken bis zu 50000 Euro Abfindung. Mit solchen Summen wäre eher etwas zu erreichen, glaubt Zeplien. Auch die Spitzen von Humboldt-Universität und Charité akzeptieren den Vorschlag der Experten. Allerdings knirschen sie etwas stärker mit den Zählen als die Verantwortlichen von FU und UKBF. In Steglitz nennt man die Sanierung des Berliner Haushalts notwendig. HU-Präsident Jürgen Mlynek dagegen spricht noch einmal davon, dass 98 Millionen Euro weniger den Medizin-Standort Berlin gefährden. Grundsätzlich begrüßt er aber die Empfehlung der Kommission. Allerdings hätte Mlynek es lieber gesehen, wenn die neue medizinische Fakultät allein unters Dach seiner Humboldt-Universität gekommen wäre. Schließlich sei diese größer und traditionsreicher. Dem Dekan der Charité liegt schwer im Magen, dass der Name seiner Einrichtung verloren gehen soll. Er sei doch ein Mann der Charité, nicht der ZUMB, klagt Joachim Dudenhausen. Dass im Raum steht, das zur Charité gehörende Virchow-Klinikum in Wedding ab 2010 zu einem normalen Krankenhaus zu machen, bereitet Dudenhausen weniger Bauchschmerzen. Die Experten verlangten dies seiner Ansicht nach nicht unbedingt. Der Uni-Standort habe also noch Zeit, sich zu profilieren und werde womöglich nie geschlossen.
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