Wer vom Arbeitsamt durch falsche Angaben zu viel Geld erhält - ob bewusst oder durch eigene Schusseligkeit -, der kann noch Jahre später mit einer bösen Überraschung rechnen. Das Berliner Landessozialgericht verhandelte jetzt mehrere Fälle, in denen die Betroffenen zu viel Geld aus dem Topf des Arbeitsamtes erhalten hatten. Versehentlich, wie sie meinten, doch das spielte für das Urteil nicht die entscheidende Rolle. Denn Versehen kann man aufklären.
In zwei Fällen mussten sich ein Diplomkaufmann und eine Buchhalterin verantworten. Bei der Zahlung von Arbeitslosengeld spielt die Steuerkarte eine entscheidende Rolle. Ist zum Beispiel die Steuerklasse III eingetragen, fällt der Betrag höher aus, als in der Steuerklasse IV. Dies wurde den beiden zum Verhängnis. Nun müssen sie nach dem Urteil des Landessozialgerichtes rund 1600 Euro bzw. 10400 Euro zurückzahlen, weil sie die falsche Steuerklasse angegeben haben.
Bei der Buchhalterin hatte der Ehemann die Anträge ausgefüllt, sie hatte nur unterschrieben. Doch in den Erläuterungen auf einem Merkblatt ist klar zu erkennen, welche Steuerklasse für die Berechnung des Arbeitslosengeldes und für die Einstufung in eine Leistungsgruppe entscheidend ist. Der Diplomkaufmann hatte ursprünglich die richtige Klasse eingetragen, sie dann aber nicht mehr geändert, als sich die Bedingungen änderten. In beiden Fällen haben die Betroffenen »grob fahrlässig« gehandelt. Nur wenn sie den Fehler hätten nicht erkennen können, wäre ihnen kein Vorwurf zu machen und eine Rückzahlung nicht erforderlich. Bei einem Kaufmann und einer Buchhalterin müsse man aber davon ausgehen, dass sie wissen, was Fragebögen und Merkblätter bedeuten. So werden sie in den sauren Apfel beißen müssen. Besser erging es einem Mann mit deutscher und polnischer Staatsangehörigkeit, von dem die Bundesanstalt für Arbeit rund 5500 Euro zurückforderte. Seit dem 1. Januar 1991 hatte der Bauhelfer und Kraftfahrer sich arbeitslos gemeldet und dafür Arbeitslosengeld bezogen. Doch acht Jahre später stellte sich bei einer Überprüfung heraus, dass eine Firma für ihn in der fraglichen Zeit Rentenbeiträge als Fliesenlegergehilfe eingezahlt hatte. Wer aber zahlt für jemanden, der gar kein Arbeitsverhältnis hat? Etwas war faul, konstatierte die Bundesanstalt für Arbeit und klagte.
Es ist kompliziert, die Angelegenheit ein Jahrzehnt später noch einmal aufzurollen. Vor Gericht erklärte der Mann, seine Papiere seien ihm damals gestohlen worden. Vermutlich habe ein anderer mit seinen Unterlagen illegal gearbeitet. Seine Steuerkarte, die er dem Gericht vorlegte, weist keine Eintragung aus. Auch in der Firma will man sich an den Mann nicht erinnern. Jener, der damals unter dem fraglichen Namen beschäftigt war, habe viel jünger ausgesehen und habe kein Wort Deutsch gesprochen. Also doch eine Verwechselung. Das Gericht glaubte dem Arbeiter, denn es gibt keinen Beleg dafür, dass er doppelt kassiert hat. Bei Baufirmen geht es mit Beschäftigungsverhältnissen manchmal recht locker und unkontrollierbar zu. Man kommt früh und bekommt abends das Geld auf die Hand. Da sind spätere Nachforschungen kaum noch machbar. Aber es soll, wie die Bundesanstalt für Arbeit feststellte, ein Foto von der betreffenden Kolonne existieren. Um alle Zweifel auszuräumen, will das Gericht das Bild nun ausfindig machen und vertagte den Fall. Doch nicht der Arbeiter muss, wie die Bundesanstalt meinte, seine Unschuld beweisen, sondern das Arbeitsamt muss die Beweise für die Schuld liefern.
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