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  • Politik
  • Ehemaliger Mitarbeiter des Kirchen-Referates der Berliner Stasi-Bezirksverwaltung .

De Maiziere war MfS-Informant, Akte jedoch 1989 vernichtet

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin (ADN/ND). Die Originalakte des Informanten „Czerny“ ging Anfang Dezember 1989 in der Berliner Bezirksverwaltung (BV) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) durch den Reißwolf. Das bestätigte jetzt gegenüber ADN ein ehemaliger Offizier aus dem Referat 4 der Abteilung XX, das bei der Stasi für Kirchenfragen und Oppositionsbewegungen zuständig war. In einer „knappen halben Stunde“ seien die Aktenteile 1 (persönliche Angaben) und 2 (Berichte „Czernys“) zerhäckselt worden.

Der Berichtsteil habe vier Ordner umfaßt, von denen bislang aber nur drei leere Aktendeckel in die Untersuchungen zur Entlastung des jetzigen stellvertretenden Vorsitzenden der Bundes-CDU, Vorsitzenden der brandenburgischen CDU und letzten DDR-Regierungschefs, Lothar de Maiziere, einbezogen werden konnten. Auf

der Karteikarte des inoffiziellen Stasi-Mitarbeiters „Czerny“ steht die Berliner Wohnanschrift von de Maiziere.

„Die Aktenvernichtung wurde von ,Czernys' Führungsoffizier angeordnet, der in letzter Minute – die Bürgerkontrolle stand schon vor der Tür – die Identität seines Spitzeninformanten schützen wollte“, sagte der ADN-Gesprächspartner. Auf „eigenen Wunsch“ brach Czerny dann Mitte Dezember 1989 die Zusammenarbeit „jäh ab“, die er zumindest „per Handschlag“ acht Jahre zuvor eingegangen war.

Vier Wochen vor der Reißwolf-Aktion habe „Czerny“ noch Glückwünsche seines Führungsoffiziers zur Wahl zum Vorsitzenden der DDR-CDU empfangen. Im MfS konnte man sich „einer gewissen Euphorie nicht enthalten“, so der Ex-Offizier, glaubte man doch, die

Spitzenfunktionen in CDU, Sozialdemokratie (Ibrahim Böhme) und Demokratischem Aufbruch (Wolfgang Schnur) Stasi-besetzt. Schaden habe de Maiziere allerdings in seiner MfS-Tätigkeit wahrscheinlich nicht angerichtet.

Den Beweis dafür, daß „Czerny hundertprozentig de Maiziere“ war, dürfte eine „wesentlich gründlichere Recherche“ in den verschiedenen Archiven und Karteien liefern. So seien Berichte mehrfach kopiert worden. Von manchen Ablagen, so vermutet der Ex-Offizier, wisse noch nicht einmal der Sonderbeauftragte der Bundesregierung zur Verwaltung der Stasi-Akten, Joachim Gauck. Dennoch dürfte der Identitätsbeweis nicht schwerfallen.

Zu der Behauptung von Innenminister Schäuble (CDU), sein Parteifreund de Maiziere habe möglicherweise unwissentlich für die

Stasi gearbeitet, sagte der ehemalige MfS-Offizier: „Es gab hundertprozentig keinen IMB (Inoffizieller Mitarbeiter mit Feindberührung), der nicht wußte, daß ihn das Ministerium für Staatssicherheit als Informanten führt.“ So etwas habe es

ausschließlich für Inoffizielle Mitarbeiter für Sicherheit (IMS) gegeben. Diese Klassifizierung galt für „Czerny“ aber nur drei Monate lang. „Eine Druckwerbung des Referats XX/4 kam dafür auch nicht in Frage.“

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