Possums und andere Öko-Terroristen

Neuseelands Biosicherheit ist von mehreren Seiten bedroht

  • Michael Lenz, Sydney
  • Lesedauer: 3 Min.
Australier können herzhaft lachen, wenn Megastar Dame Edna ihre Fans mit einem schrillen »Hello Possums!« begrüßt. Jenseits der Tasmanischen See jedoch kann ein freundliches »Hallo, ihr Beutelratten« leicht in den falschen Hals geraten. Die Neuseeländer haben sich das Ziel gesetzt, das Possum auszurotten.
Selbst die Grünen und andere Verteidiger neuseeländischer Flora und Fauna haben sich in die Anti-Possum-Volksfront eingereiht. »Natürlich unterstützen wir die Ausrottung der Possums in Neuseeland«, betont Ian Ewen-Street, umweltpolitischer Sprecher der Grünen: »Neuseeland hat ein einzigartiges Ökosystem und dessen Schutz hat höchste Priorität für das wirtschaftliche und ökologische Überleben des Landes.« Das Possum gehört nicht in dieses »einzigartige Ökosystem«. Das Tier wurde erst 1837 aus Australien eingeführt, um in Neuseeland eine Pelzindustrie zu starten. Das Projekt scheiterte, doch die Possums vermehrten sich explosionsartig und fressen sich seither durch Neuseelands einzigartige Vogelwelt. Manche Vogelart verschwand komplett in den Mägen der heute auf 70 Millionen Exemplare geschätzten Beuteltiere. Ein Schicksal, dass auch dem Kiwi, Neuseelands Wappentier, oder der neuseeländischen Papageiengattung Kakapo droht. Neuseelands Federtiere stehen den gefräßigen Vierbeinern hilflos gegenüber. Bis zur Ankunft der Maoris vor etwa 800 Jahren hatte die Evolution Neuseeland Frösche, Insekten und Vögel beschert, jedoch keine Säugetiere. Vögel besetzten alle ökologischen Nischen. Weitgehend unbehelligt von Feinden verlernten sie gar das Fliegen. Weder Kakapo noch Kiwi oder bereits ausgestorbene Spezies wie der straußenähnliche Moa oder der rabenartige Huia haben Flügel. Die Maoris verdienen den zweifelhaften Ruf, die ersten »Öko-Terroristen« Neuseelands gewesen zu sein. Die Abenteurer und Entdecker aus der Südsee brachten nicht nur die ersten Ratten nach Neuseeland, sondern sie gingen auch selbst auf Vogeljagd. Das Fleisch landete im Kochtopf. Aus den Federn stellten die Maoris prächtige Umhänge und Kopfbedeckungen für rituelle Zwecke her. Und vor rund 200 Jahren brachten die weißen Siedler neben weiteren Ratten auch noch Katzen und Wiesel mit. »Retten, was zu retten ist«, haben sich die modernen Kiwis auf die Fahne geschrieben. Sie rücken mit Fallen, Gewehren, Hunden und Gift Possum & Co auf den Pelz. An Unis brüten Institute eifrig über raffinierteren Methoden zur »Lösung der Possumfrage«. Aber schon die konventionellen Methoden führten zu Erfolgen. Ganze Regionen sind inzwischen frei von Ratten und Possums. Ein possumfreies Naturreservat für bedrohte Vogelarten war die Insel Kapiti in der Tasmanischen See - bis Mitte Januar eine Gruppe mit dem Namen »Biodiversity Action Group« in einem Bekennerschreiben mitteilte, sie habe elf Possums auf der Insel ausgesetzt. Weiter drohte die Organisation, auf Codfish Island - Heimat der letzten 50 Kakapos - Wiesel freizulassen. Wer die in Neuseeland als »Öko-Terroristen« bezeichneten Possumfreunde genau sind, ist unbekannt. Umweltminister Chris Carter (Labour), die Grünen und die neuseeländischen Medien sind sich sicher, dass »radikale Jäger« die »Aktionsgruppe« bilden. Politiker der ultrakonservativen Partei »Vereinigung der Konsumenten und Steuerzahler« hingegen machen Anhänger der Grünen für den Terror im Wald verantwortlich. Nandor Tanczos, grüner Parlamentarier und »enfant terrible« der neuseeländischen Politszene, weist den Vorwurf entschieden zurück. Schon der Name der anonymen Gruppe sei »falsch«. »Solche Aktionen tragen durch die Bedrohung des einheimischen Ökosystems zum Verschwinden von Arten und nicht zum Erhalt von Vielfalt bei.« Genmanipulierte Pflanzen und Tiere fallen für die Grünen in die gleiche Kategorie wie Possums. »Gentechnisch hergestellte Organismen sind fremdartige Spezies und wir wissen nicht, welche langfristigen Auswirkungen deren Freisetzung haben wird«, sagt Ewen-Street. Dennoch haben genmanipulierte Organismen ab Oktober 2003 freie Fahrt in Neuseeland. Dann läuft das dreijährige Moratorium gegen Freilandversuche mit Gentech-Pflanzen und -Tieren aus - ein Nährboden für nicht nur friedliche Protestaktionen. Radikale Grüne griffen bereits 2002 gentechnische Labors mit Molotowcocktails an und bedrohten Wissenschaftler. Ziel von »Öko-Terroristen« könnten in naher Zukunft auch Kiefernplantagen der neuseeländischen Holzindustrie werden, warnte Ende Januar Hamish Cochrane, Dozent für Biosicherheit an der Universität von Christchurch. Die »Waffe«: ein Pilz, der eine Art Kiefernkrebs auslöst. Unklar ist sich Cochrane über die Motive der potenziellen Täter. Es könnten »wirtschaftliche Konkurrenten« sein, so Cochrane. Oder auch »fanatische Naturschützer.« Wie das australische Possum gilt die kalifornische Radiata-Kiefer als »Eindringling« in das neuseeländische Ökosystem.

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