Aluminium aus der Wildnis?

Proteste von Naturschützern gegen Riesenprojekt

  • Andreas Knudsen
  • Lesedauer: 3 Min.
Der weltgrößte Aluminiumhersteller Alcoa mit Sitz in Pittsburgh (USA) unterschrieb jetzt eine Vereinbarung mit der isländischen Regierung sowie der nationalen isländischen Energiebehörde Landsvirkjun über den Bau einer Aluminiumhütte in Reydarfjordur sowie eines Wasserkraftwerkes von 630 Megawatt im Kárahnjúkar-Tal.
Ein Jahr zuvor hatte sich der norwegische Aluminiumproduzent Norsk Hydro aus dem Projekt zurückgezogen. Baubeginn für die Alcoa-Hütte ist 2005. Bei vollem Betrieb soll Reydarfjordur ab 2007 mehr als 320000 Tonnen Aluminium im Jahr produzieren. Das isländische Parlament, der Allthing, hatte mit 43 Ja- und 9 Gegenstimmen einen Grundsatzbeschluss zum Projekt gefasst. Die Vertragsunterzeichung begingen die Einwohnern der Gemeinde Fjardarbyggd mit Fest und Feuerwerk, andere Isländer sehen eher einen schwarzen Tag in der Geschichte des Landes. Die Aluhütte hat ihren Standort in einem der letzten unberührten Wildnisgebiete Europas. Das Projekt kostet etwa 1,4 Milliarden Euro, mit denen, so Alcoa, die modernste und umweltfreundlichste Aluhütte der Welt gebaut werden soll. Die Bevölkerung Islands ist bezüglich des Ausbaus der Aluproduktion gespalten. Verschiedene Umfragen sehen die Befürworter bzw. Gegner solcher Projekte bei 50 oder 60 Prozent. Die bürgerliche Regierung erhofft sich - neben der Schaffung von Arbeitsplätzen im strukturschwachen Ostisland - eine ausgeglichenere Handelsbilanz, die bislang bei fallenden Fischpreisen sofort in die roten Zahlen kommt. Das Reydarfjordur-Projekt könnte die Abwanderung der Bevölkerung in die Hauptstadtregion stoppen. Gegenwärtig leben etwa 3100 Menschen in der Gemeinde Fjardarbyggd, die seit 1995 etwa zehn Prozent ihrer Einwohner verlor. Inwieweit die Einheimischen vom Aluboom profitieren werden, muss die Zeit zeigen. Der Fischereihafen Reydarfjordur wird zum Industriehafen ausgebaut, um Bauxit anlanden und Aluminium verschiffen zu können. Der Preis für die ökonomische Entwicklung ist hoch. Der Stausee im Dimmugljúfur-Canyon wird etwa 57 Quadratkilometer Land überschwemmen, das heute Brutplätze für zahlreiche Vögel bietet. In der Nähe liegt das Hochmoor von Thjorsarver, das Teil der Ramsar-Vogelschutzkonvention ist. Auch die lokalen Weidegebiete der Rentiere werden kräftig eingeschränkt. Der Wasserfluss des Jåokulsa á Dal wird »verdünnt«, weil er durch einen 40 Kilometer langen Tunnel Wasser an den Stausee abgeben muss. Der Lauf von insgesamt 100 Flüssen und Bächen wird beeinflusst. 600 Quadratkilometer Islands - etwa 3Prozent der Landesfläche - werden durch das Projekt verändert. Island erscheint ideal für einen energieintensiven Industriezweig wie die Aluminiumproduktion. Allein bei Wasserkraft hält die Energiebehörde - mit Rücksicht auf den Umweltschutz - 25 bis 30 Terawattstunden jährlich für verfügbar. Genutzt werden etwa 6,5 TWh. Nach Inbetriebnahme Reydarfjordur wird 80 Prozent der isländischen Stromerzeugung in der Aluindustrie verwandt. Die Umweltschützer wollen das Projekt stoppen. E-Mail-Kampagnen, Fernsehspots, Demonstrationen und Hungerstreiks waren Teil einer Kampagne, die auch Beistand von prominenten Rocksängerinnen wie Bjørk und Nina Hagen erhielt. Der WWF, der isländische Naturschutzbund INCA sowie der deutsche Naturschutzbund fordern, das Gebiet unter Naturschutz zu stellen. Doch alle Proteste prallten bislang bei der in diesem Jahr zur Wahl stehenden Regierung ab. Bereits wenige Tage nach Vertragsunterzeichnung begannen die ersten Arbeiten.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.