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Hermann Axen – der Chefarchitekt war er nicht

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Der am Wochenende verstorbene Hermann Axen war vielleicht eine der weniger auffälligen Figuren in der Führungsriege der SED. Obwohl er, besonders in der „frühen“ Phase seiner Karriere, ein gewandter Redner und interessanter, geistvoller Gesprächspartner in Versammlungen und Foren sein konnte. Er verstand geschickt zu argumentieren, auch wenn er sich nie aus dem streng umrissenen Feld der Propaganda-Dogmen der Partei, aus der jeweils „gültigen“ Weltsicht des „sozialistischen Lagers“, geprägt von der KPdSU und auf internationalen Beratungen be-^ stätigt, hinausbewegte.

Der von den Faschisten verfolgte Jungkommunist trug zeitlebens die im Konzentrationslager auftätowierte HäfLingsnummer auf dem Körper, sein Kampf gegen die Nazis brachte ihm auch bei Gesprächspartnern aus dem anderen politischen Lager Respekt ein. Nach der Befreiung aus dem KZ Buchenwald hatte er die FDJ mitbegründet und von da an stets im zentralen Jugend- und Parteiapparat gearbeitet. Ins Politbüro und Sekretariat des Zentralkomitees kam er über das Amt des Chefredakteurs des „Neuen Deutschland“, das er insgesamt etwas ei-

genständiger als seine Vorwende-Nachfolger ausübte.

Als Sekretär in der SED-Spitze für die internationalen Verbindungen bestand Axens wichtigster Bei- ?. trag wahrscheinlich in der Ausarbeitung der Strategie für die internationale Anerkennung des zwei- ten deutschen Staates und der Koordinierung der enormen Anstrengungen, die die DDR in den 60er und 70er Jahren auf dieses Ziel verwandte. Mit einem umfangreichen Apparat im Zentralkomitee organisierte er außerdem die vielfältigen internationalen Beziehungen der SED zu anderen Parteien und Organisationen, die entsprechend dem Prestigebedürfnis der Führung von Ulbricht bis Honecker groß dimensioniert waren.

Am eigentlichen Steuerpult der Außenpolitik der DDR aber saß Axen nicht. Diesen. Platz behielt sich SED-Generalsekretär Honecker selbst vor, dessen außenpolitischer Appetit mit den Jahren immer größer und der von dem Ehrgeiz getrieben wurde, eine Spitzenfigur in der Weltpolitik zu sein. Ohnehin war der Bewegungsraum für eine selbständige Außenpolitik des Landes recht begrenzt, die „abgestimmte und koordinierte gemeinsame“ Außenpolitik der

Warschauer Vertragsstaaten wurde weitgehend in Moskau festgelegt. Den kleinen Ländern blieben die Ausarbeitung der Durchführungsbestimmungen, für ihren Bereich und hier und da spezifische „Ergänzungen“. Ein solch partieller Spielraum bestand^ für die SED gegenüber der BRD, wobei sie besonders die auf Wandel durch Annäherung zielende Ostpolitik der SPD in ihrem Interesse zu nutzen suchte, zu einem Brückenschlag bei Fragen der Friedenssicherung und Abrüstung. Hier, mit der Ausarbeitung und Verkündung gemeinsamer Vorschläge SED-SPD, so der Initiativen zur Schaffung einer atomwaffenfreien bzw. einer chemiewaffenfreien Zone in Mitteleuropa, konnte sich Hermann Axen zuletzt noch einmal innerhalb der SED-Spitze profilieren. Unter seiner Leitung organisierte die DDR 1988 eine große prestigeträchtige internationale Konferenz über kernwaffenfreie Zonen in Berlin, die freilich außer hohen Spesen nicht viel einbrachte.

Insofern war Axen nur einer der Architekten der DDR-Außenpolitik. Für den „großen Bruder“ im Kreml war er nicht der Ansprechpartner. Wie auf anderen Gebieten wurde auch die Außenpolitik mehr

Nur durch das Führen von Reden und Beschlüsse, die über Menschen, ohne Auseinandersetzung mit diesen gefaßt werden, kommen wir unserem Anspruch nicht näher!

Verdrängung, Angst vor Verachtung, Ausschluß aus der Gesellschaft, pauschale Verurteilung...

Wir fühlen uns elend.

Der Tod von Genossen Gerhard Riege ist unseres Erachtens Ausdruck für die falsche Herangehensweise an die Aufarbeitung (was ist das?, wie kann mensch es machen?) sowohl in der Gesellschaft, als auch in unserer Partei. Auch wir sind schuld. Ja, wir haben uns etabliert in dieser bürgerlichen Gesellschaft, Kommunikation findet nur noch über politische Probleme statt.

Angela Marquardt, Thomas Waschk, Berlin

Mit Betroffenheit und Empörung habe ich die Nachricht vom Freitod des Bundestagsabgeordneten Professor Dr. Gerhard Riege erfahren. Um so mehr, als ich vor ca. 40 Jahren mit ihm zusammen an der Universität Jena studiert hatte. Sein tragisches Ende ist mir Anlaß, sowohl weiter für eine ehrliche wie konsequente und damit differenzierte Aufarbeitung der Geschichte der DDR und ganz Deutschlands in diesem Jahrhundert zu wirken als auch immer und überall jene richtigen Worte von Bundeskanzler Helmut Kohl vor der Berliner Au-ßenministerkonferenz der KSZE (Juni 1991) einzuklagen: „Es darf nie mehr ein Zurück geben zu den Dämonen von gestern, zu Nationalismus und Rassismus, zu ideologischer Intoleranz, zu Androhung und zum Einsatz von Gewalt.“

Prof. Dr. sc. Wolfram Neubert, Berlin, 1150

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