Man muß solche Typen bekämpfen

Stefan Effenberg hat ein Buch geshrieben. Hätte er es besser gelassen

  • Hanno Harnisch
  • Lesedauer: 6 Min.
Der Privatier Stefan Effenberg, 34, könnte jetzt eigentlich so richtig anfangen, seine zwanzig erkickten Millionen auszugeben, oder sie als Immobilienmensch gar noch zu mehren. Nachdem er seine wechselvolle Bundesliga-Karriere beim VfL Wolfsburg eher glanzlos beendet hat, will ihn bestenfalls noch der Scheich nach Katar (»das entscheidet sich in zehn Tagen«) holen. Dabei warten im schönen Florida (USA) reizende Kinder auf den liebenden Vater, der er ja schließlich auch ist. Auch wenn er deren Mutter fix mal eins gegen eine Kollegenfrau eingetauscht hat. Aber dieser Ex-Fußballer Effenberg, dessen nachhaltigste Lebensleistung wohl die Erfindung des Stinkefingers war (»einmal und nur für höchstens zwei Sekunden«, bei der WM 1994 gegen die deutschen Fans gerichtet, die ihn mal wieder auspfiffen), will von seinem Image als der Skunk des deutschen Fußballs immer noch nicht lassen. Und da er sich in Wolfsburg nur noch gelangweilt hatte, musste er nun ein dickes Buch schreiben (lassen), in dem noch einmal seinem Lieblingssport nachgeht: dem Nachtreten - »Als einziger Bundesligaspieler sah ich über hundertmal die Gelbe Karte«. Angeheizt durch eine wochenlange Kampagne der »Bild«-Zeitung, durch auszugsweise Vorabdrucke und schlüpfrige Großfotos an fast allen Haltestellen des Landes, wurde das ebenso glitschige Interesse auf diesen tätowierten Typen zwischen zwei Blondinen und Vereinen, Diskotheken und Geldstrafen, Missverständnissen und Prügeleien gerichtet. Viele erwarteten so eine Art Fortsetzungsgeschichte zu Dieter Bohlens ebenso gepushten Bestseller »Nichts als die Wahrheit«. Der hingegen liest sich im Gegensatz zu Effenberg fast wie richtige Literatur. Überschriften-Kostprobe Effenberg: »Manchmal war die Kacke am Dampfen«. Oder: »Bekloppt vor dem Fernseher«. Aber auch: »Die totale Verarschung«. Und, um auf die Frauen zu kommen: »Blöde Mädchen«. Die Menschen behandeln Effenberg schlecht, während er sie nur so behandelt, wie sie es tatsächlich verdienen. Effenberg hat immer recht, alle anderen sind immer Schuld oder auch ein bischen blöd. Sein ehemaliger Berater »Pflippi« zum Beispiel, der seinen Konkurrenten Lothar Matthäus zu aufmerksam betreut hatte, der »wohnt jetzt auf Mallorca und malt dort Bilder. Er vertritt nur noch wenige Spieler - ist auch besser so«. Oder Fußball-Legende Paul Breitner, der im Fernsehen so tut, als habe er »den Fußball eigentlich erfunden...am Kochtopf bei Alfred Biolek...Vielleicht sollte er sich künftig mehr auf diesem Gebiet bewegen«. Auch Willi Lemke, der ihn damals, als er aus Italien weggekauft werden wollte, nicht zu Werder Bremen holte, der »ist mittlerweile auch da, wo er hingehört - er ist Schulsenator in Bremen.« Ebenso Trainer Hannes Bongartz, für den er zu lange laufen sollte, der ist jetzt »in der dritten Liga in Wattenscheid. Ein Amateur zu den Amateuren«. Am härtesten aber teilt er gegen den »Verdrücker« Lothar Matthäus aus. »Lothar hatte immer dicke Backen. Er gab ständig und überall seine Kommentare ab«. Nur zu sich selbst sin Effenbergs Kommentare Spitze. Nach drei Flaschen Wein in einer Disco schmettert er durch den Saal: »Da wäre Pavarotti neidisch geworden.« Oder er spricht in einer Kirche »über die Kinder in der ganzen Welt«, und seine Schwiegermutter meinte: »Dir fehlt jetzt nur noch der Talar, und dann bist du Pfarrer Effenberg«. »Der Spiegel«, immer gerne vor allen anderen kommend, fasste das noch gar nicht erschienene Buch in einem Satz zusammen: »Die Maul- und Frauenseuche hat Effe erfasst«. Nach dem Studium (eine durchwachte, durchlittene Nacht) seines immerhin 320 Seiten starken Buches, welches nach sechzig Stunden Sitzungen mit dem RTL-Sportreporter Jan Mendelin aufgeschrieben wurde, kann ich dieses nur für das mit dem Maul bestätigen. Das mit den Frauen jedoch ist wohl eher Wunschdenken. Stimmt das, was im Buche steht, hats der Kicker überhaupt nur mit zwei Frauen gehabt, und einer »Liebschaft . . ., die nicht der Rede wert war. Diese Frau hatte allenfalls die Note vier minus verdient.« Vom onanieren nach einer »Playboy«-Vorlage ganz abgesehen. Ausführlicher beschrieben werden da schon Effenbergs Autos, da schwärmt er von »meinem weißen Opel Kadett 1.3« bis zu »meinem schwarzen Ferrari«. Und sein nagelneuer »Hummer« ist wenigstens auf einem Foto zu sehen. Effenberg ist nicht der Tiger sondern das Unschuldslamm. Immer wieder passieren ihm auf seinen beiden Spielfeldern - dem Rasen und der Discothek - unerklärliche Missgeschicke, wie eben der Stinkefinger, oder wenn er einfach nur auf Menschen einredet, verklagen die ihn hinterher doch glatt wegen Körperverletzung. Ein wahrer Meister im verzinken, verdrehen, verheben. »Ich stand«, weiß das bekennende Großmaul - jawohl, stand! -, »über diesen Dingen.« »Ich hab's allen gezeigt«: am Donnerstag präsentierte Stefan Effenberg sein Buch. Es war eine unterirdische Veranstaltung, im wahrsten Sinne des Wortes. Im Souterrain seines Kulturkaufhauses an der Friedrichstraße hat der Buchhändler Dussmann, der seinen Reichtum einst durch Putzkolonnen angehäuft hat, angerichtet, um hier nun den kaufwilligen Fußballfan zu bereichern und somit sich selbst. Und natürlich auch Stefan Effenberg, denn die einundzwanzigste Million seiner Karriere hat er so gut wie in der Tasche. Unter der Erde also passierte da etwas, das dutzende Kameraleute, Fotografen, Feuilletonisten und Klatsch-Reporter anzog, wie ein großer Scheißhaufen einen Fliegenschwarm. Aber es stank nicht. Schlimmer. Es wurde geredet. Viele Zeugen also, wie aus »nichts« »etwas« gemacht wird. Und so wird sein Buch, das seit gestern mit einer Startauflage von 250 000 Exemplaren über die Ladentische gehen wird, gefeiert. Abends Kerner, Nächste Woche Beckmann. RTL sowieso. Der glückliche Verlag, der an diesem Geschäft seinen Anteil hat, heißt »Rütten & Loening«, in dem vor genau 150 Jahren auch der »Struwwelpeter« erschien. Der ist mittlerweile in der 590. Auflage. Auftritt Effenberg. Seine blonde neue Frau hält sich im Hintergrund. Er präsentiert sein Werk wie ein erzgebirgischer Weihnachtsengel. Was wird er sagen? Er sagt, er habe das Buch »niedergeschrieben« und niederer geht's kaum mehr. Er hat ein T-Shirt an, »selbstgekauft, in München«, auf dem steht in güldenen Lettern: »Sei lieb«. Die Journalisten bemühen sich. Auch, wenn es sehr sehr schwer fällt. Und Effenberg hat keine Probleme mit den Fragen. Schließlich hat er doch schon im Buch geschrieben: »Wir leben in einer Demokratie.« Er bürstet alles ab. Bekommt auch keinen »dicken Hals«, wie öfter in seinem Buch beschrieben. Über die Angriffe aus dem 16-Meter-Raum des Feuilletons sagt er: »Da steh' ich drüber.« Will meinen: leckt mich mal. Ein Frager will wissen, was denn beim Schriftsteller Effenberg denn selber so im Buchregal stehe. »Nix«, denn er zieht ja grade um. Auf Nachfrage sagt der Schriftsteller Effenberg dann, das letzte Buch, das er gelesen habe, seien »Hitlers Tagebücher« gewesen. »Wohl die im Stern«, frotzelt noch der Moderator. Verleger Bernd F. Lunkewitz sagt noch zum Schluss der Veranstaltung, dies sei »Ironie« gewesen. Prima Ausdruck für Schwachsinn. Immerhin, er hält den Text seines Autors ja auch für eine »realistische Sprache, Alltagssprache als Kunstform«. Und dabei noch »zurückhaltend und angemessen«. Lunkewitz hat bei seinem Autor eine im krisengeschüttelten Wirtschaftsstandort Deutschland rare Erfolgsstory ausgemacht. Will der gebildete Altlinke seine insgeheime Verachtung aber doch rüberbringen, indem er pausenlos seinen Goldesel als »Stefan« anredet? Ein spanischer Journalist fragt dann auch noch den Herrn »Effenberger« nach seinen Eindrücken von Madrid. Claudius Seidel von der - sonst gerne mal den Zeitgeist bedienenden »Frankfurter Allgemeinen Sonntags-Zeitung« hat es auf den Punkt gebracht: »Man darf nicht traurig werden über der Lektüre und auch nicht pessimistisch. Man muss solche Typen bekämpfen«. Stefan Effenberg/Jan Mendelin: »Ich habs allen gezeigt«, Rütten & Loening, Berlin, 320 S., geb., 19,90 EUR

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