Wildschönau - das Hochtal für den Sommer

Gipfel-Wanderung zum Großen Beil über Johanns Schaukäserei

  • Jochen Fischer
  • Lesedauer: 4 Min.
Hand aufs Herz! Was verbinden sie mit Österreich? In erster Linie doch wohl Berge, Schnee und Ski. Dabei ist die Sommerfrische hier nicht weniger erholsam. In der Wildschönau beispielsweise. Dieses romantische Hochtal zwischen Kaisergebirge und Kitzbühler Alpen bietet so ziemlich alles, was bei hohen Thermometerstand und langen Tagen von Nöten ist. Überrascht ist man von der Ursprünglichkeit der Region. Wer hier aber wirklich ankommt, hat spätestens beim zweiten Blick die stattlichen Bauernhöfe entdeckt. Der Berufsstand war es, der das Antlitz des Tals prägte. Fleißig und behutsam, weitsichtig aber mit Bedacht schufen die Wildschönauer über Jahrhunderte aus ihrer urwüchsigen Naturlandschaft ihre heutige einladende Kulturlandschaft. Beim Wandern oder Radfahren durch die Täler und über die Berge spürt man das allenthalben. 180 Kilometer misst das Wegenetz, das durch felsige Schluchten mit kleinen Wasserfällen und über saftige Wiesen führt. Wer etwas höher hinauf- steigt - zum Schatzberg (1903 m) beispielsweise, ist begeistert vom atemberaubenden Gebirgspanorama. Allerdings muss sich niemand zum Kletterkünstler oder gar Alpinisten aufschwingen. Eine Achter-Gondelbahn bringt einem der würzigen Bergluft ebenfalls näher. Passionierte Bergsteiger oder -wanderer indes lassen es sich nicht nehmen, den Großen Beil, mit 2309 Meter der höchste Berg im Revier, zu erklimmen. Ausgangspunkt für das Unternehmen ist die Schönanger Alm. Ein Muss ist die Einkehr in Johann Schönauers Schaukäserei. Echten Tiroler Bergkäse in etwa 20 verschiedenen Sorten stellt her. Die Kräuter, die die Kühe fressen, verleihen seinen Erzeugnissen den besonderer Geschmack, versichert Johann. Auf den Almwiesen entdecken wir dann auch die unterschiedlichsten Pflanzen. Hahnenfuß, Mannstreu und Enzian. Murmeltiere pfeifen und hier und da grasen ein paar Haflinger. Von der Gressenstein Alm sind es noch etwa 500 Meter Höhenunterschied, die wir unter die Schuhsohlen zu nehmen haben, ehe das Gipfelkreuz erreicht ist. Vier Stunden muss man für den Aufstieg schon veranschlagen und wenngleich man es gemütlich angehen lassen kann, im Vollbesitz seiner Kräfte sollte der schon sein, der den Aufstieg angeht. Wer bei seinen Wegen übers Land trotzdem ins Schwitzen geriet, dem rät Balthasar Weißbacher aus Oberau Abkühlung im Schwimmbad. Der Hotellier, wie könnt es anders sein, schwört auf sein Tal, weil es für jeden, der kommt, ein Fest für die Sinne sei. »Augen-Schmaus und Augen-Schein aus dem Vollen«, sagt er. Das beflügelt Kreativität, die wiederum sogar gefördert wird. Im Juli und August stehen nämlich Lehrgänge an, bei denen Künstler des Landes Anfängern wie Fortgeschrittenen beim Malen, Fotgrafieren und Töpfern zur Seite stehen. Gewissermaßen einen Abstecher in die über 800-jährige Geschichte der Wildschönau unternimmt man beim Besuch im Bergbauernmuseum. Der Geschichtstempel ist in einem uralten Bauernhaus untergebracht. Die Tenne ist heute ein rustikaler Saal, in dem es bei Tanz und Gesang bisweilen hoch her geht. Zugleich wird reichlich über Land und Leute berichtet, die in den vier Kirchdörfern leben und über jede Menge Sagen. Eine beschreibt die Entstehung des Gebiets. Das ganze Hochtal soll zu Ururgroßvaterszeiten ein See gewesen sein, in dem ein Drache hauste. Ein Bauer tötete das Ungetüm dann. Im Todeskampf allerdings biss das Ungeheuer den Felsen nach Kundl im Inntal durch. Der See lief leer und zurück blieb das Wildschönauer Hochtal und die sehenswerte Kundler Klamm. Da erlebt man aber auch, wie die Bäuerin Flachs zu Garn spinnt und dann zu Tuch webt. Lebendiger Anschauungsunterricht dafür, wie z.B. ein T-Shirt entsteht. Aber mehr noch. In diesem Jahr findet bis zum 2. Oktober an jedem Donnerstag ein Handwerkermarkt statt. Dort zeigen die Leute aus den Dörfern ringsumher, wie ihre Vorfahren mit alten Techniken Holz schnitzten, drechselten, Schuhe auf den Leisten schlugen oder Körbe flochten. Auch typisches Kunsthandwerk, wie Goldstickerei, Strohfiguren basteln, Glas- und Aquarellmalen kann man beobachten. Sportlich ambitionierte, oder besser gesagt, schwindelfreie Urlauber können sich hier auch wunderbar in die Lüfte schwingen. In einer Flugschule für Paragleiter erlernt man alles, was man zwischen Himmel und Erde beherrschen muss. Und so richtig urig wird es, wenn die Dorfmusikanten tüchtig in die Hörner stoßen.
Information: Tourismusverband Wildschönau, A-6311 Wildschönau/Tirol, Tel. (00 43 5339) 82550.

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