»Amtspflichtverletzung« des Wiesbadener Ordnungsamtes

Bußgeldbescheid gegen Friedensaktivist wird zum Rohrkrepierer

  • Thomas Klein, Wiesbaden
  • Lesedauer: 2 Min.
Übereifer legten Vertreter der hessischen Landeshauptstadt an den Tag. Hans-Gerd Öfinger, Aktivist der Initiative »Gewerkschafter gegen den Krieg«, erhielt Ende Mai vom Wiesbadener Ordnungsamt die Aufforderung, eine Geldbuße von zahlen. Er habe »vorsätzlich« und »wohl wissend« eine nicht angemeldete Kundgebung vor dem Hessischen Landtag durchgeführt und gegen das Versammlungsgesetz verstoßen.
Statt das von der Stadt verhängte Bußgeld von 1250 Euro zu zahlen, schaltete Öfinger einen Rechtsanwalt ein. Und der zeigt sich nun verwundert: Schließlich sei die in dem Bußgeldbescheid beanstandete Verletzung der Bannmeile des Hessischen Landtages nicht Sache der Stadt, sondern falle in die Zuständigkeit des Landes. Folglich hätte die Bußgeldstelle, so Öfingers Anwalt Gerhard Strauch am Freitag in Wiesbaden, den Vorgang an das Innenministerium weiterleiten müssen. Dies bestätigte inzwischen auch der Sprecher des Innenministeriums Michael Bußer. Für Rechtsanwalt Strauch liegt hier ein klarer Fall von Amtspflichtverletzung vor. Der Jurist vermutet, die Stadt habe die Klärung der Zuständigkeit absichtlich unterlassen, weil man »dem unbequemen Friedensdemonstranten Öfinger endlich mal eins auswischen« wollte. Bemerkenswert sei auch, dass Ordnungsamtsleiter Hans-Henning Pohlenz kürzlich öffentlich verbreitet habe, die Schülerdemonstration zu Zeiten des Irak-Krieges sei von Öfinger bewusst in die Bannmeile geführt worden, obwohl ihm das Demonstrationsverbot vor dem Hessischen Landtag bekannt sei. Wegen dieser »rufschädigenden Falschbehauptung« verlang der Rechtsanwalt »einen öffentlichen Widerruf und eine Entschuldigung« seitens der Stadt. In dem nun hinfällig gewordenen Schreiben des Wiesbadener Ordnungsamtes geht es um eine spontane Demo am 24.März dieses Jahres. Vier Tage nach Kriegsbeginn in Irak zog ein Teil der in Wiesbaden gegen den Krieg protestierenden Schüler in die Innenstadt und versammelte sich am Ende auf dem Schlossplatz, zwischen Landtag und Rathaus gelegen. Das Wiesbadener Ordnungsamt beanstandete danach nicht nur eine »Verletzung der Bannmeile«, sondern schrieb Öfinger dabei eine zentrale Rolle zu. Unstrittig ist, dass der Gewerkschafter, der bereits in den Wochen zuvor als Anmelder einer regelmäßig durchgeführten Mahnwache gegen den Krieg fungierte, den Schülern eine in seinem Pkw befindliche Lautsprecheranlage zur Verfügung gestellt hatte. Und so Durchsagen ermöglichte. Öfinger selbst beschränkte sich darauf, in einer kurzen Durchsage auf Artikel69 der Hessischen Verfassung hinzuweisen. In diesem bekennt sich das Bundesland zu Frieden, Freiheit und Völkerverständigung. Ferner heißt es darin wörtlich: »Der Krieg ist geächtet.« Wiesbadens Ordnungsdezernent Peter Grella (CDU) teilte am Wochenende mit, die Stadt habe den Fall inzwischen - nach »Prüfung der Zuständigkeit« - an das Innenministerium abgegeben. Von Seiten des Ministeriums gibt es bisher noch keine Stellungnahmen, wie man mit der Angelegenheit umzugehen gedenke. Die von der örtlichen Anti-Kriegs-Initiative gestartete Solidaritätskampagne für Öfinger bittet unterdessen weiter um Spenden. Denn das eingehende Geld sei in jedem Fall »in der Wiesbadener Anti-Kriegs-Kasse« gut aufgehoben und werde sinnvoll angelegt: Für die Anschaffung einer leistungsstärkeren Lautsprecheranlage.

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