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  • Wirtschaft und Umwelt
  • Kunststoff-Recycling - zum ersten Mal ein Schwerpunkt auf der Internationalen Messe in Düsseldorf

Industrie hält das Entsorgungs-Problem für eher klein

  • JÖRG STAUDE
  • Lesedauer: 4 Min.

Haben Kunststoffe eine ökologische Zukunft? Wer bei dieser Frage am ersten Tag der Düsseldorfer Kunststoff-Messe eine knallharte Diskussion erhoffte, sah sich vergangene Woche nach einer Stunde Smalltalk im Recycling-Center der Messe enttäuscht. Selbst Niedersachsens grüne Umweltministerin Monika Griefahn faßte die Industrie nj,J4^Spm|handschuhen an, Ihrer/Äntyijort auf die Eing«»g&fr?ge endete wie die des Aufsichtsrätschefs des Dualen Systems Deutschland (DSD), Dr. Gerhard Rüschen, mit einem „Ja, aber...“

Obwohl es die Internationale Messe Kunststoff und Kautschuk, die noch bis Donnerstag geht, schon 40 Jahre lang alle drei Jahre gibt, wurde erst diesmal ein spezielles Recycling-Center eingerichtet. Der Industriezweig trabt beim Umweltschutz weit hinterher. Nur 270 der 2 200 Aussteller zeigen in Düsseldorf Exponate, die sich auf den Umweltschutz beziehen.

Das Problem wurde für die Industrie zum Problem, seit die öffentliche Akzeptanz für den Plastmüll wegbrach, die Branche zugleich aus den „fetten“ in die „mageren“ Jahre geriet. Verzeichnete die (westdeutsche) Kunststoffindustrie seit Anfang der 80er Jahre Wachstumsraten von jährlich knapp sieben Prozent, wäre man in diesem mit real 1,5, Prozent zufrieden. Damit, werden die Plastproduzenten ^ iipmerhm noeh foesser cfaste 2 ^ heri als die Gesamtwirtschaft - diese wächst höchstens um ein Prozent -, das Überangebot aber läßt die Preise zusammenbrechen, aus schwarzen Zahlen rutscht man rasant in die roten.

Nach (zu bezweifelnden) Industrieangaben werden EGweit derzeit sieben Prozent der verbrauchten Kunststoffe stofflich recycelt, weitere 15 Prozent gehen in die Müllverbrennung. In Deutschland trat der Notstand vollends zu Tage mit dem Streit zwischen dem „Grünen Punkf'-System und

den Kunststofferzeugern, die eine geforderte Verwertungsgarantie zunächst ablehnten, später aber einlenkten.

Der Hintergrund für den Zick-Zack-Kurs: 1995 müssen in Deutschland etwa eine Million Tonnen Kunststoff abfalle aus Verpackungen wiederverwertet werden. Dazu stehen aus der Sicht der Industrie im Prinzip drei Wege offen: erstens die stoffliclie^yerwÄr-.Jung.- d.h. aus dem Abfällen werden sogenannte Rezyläate gemacht - zweitens die Rückverwandlung in Öl, drittens die Verbrennung. Während Weg Drei vorerst wegen fehlender Akzeptanz ausscheidet, nimmt Weg Zwei zuviel Zeit in Anspruch. Bleibt also bis 1995 nur Weg Eins: Aus alt mach' neu.

Der Haken hier ist wiederum, daß Mitte der 90er Jahre nach Expertenschätzungen nur 250 000 Tonnen der Rezyklate am Markt abgesetzt werden können. Wohin also mit den restlichen drei Vierteln? Eine Antwort darauf bekam

man nicht. Egal aber, wie man mit dem Problem fertig werden will - ohne Milliarden-Investitionen geht es nicht. Diese Kosten lassen sich gegenwärtig jedoch, wegen dem Preisverfall, schlecht auf die Kunden umlegen. Eine Zwickmühle.

So bezogen sich die zitierten „Ja, aber“ mehr darauf, was getan werden müßte, um aus der vertrackten «Lage herauf zukommen. Grief ahn verlang-» te hisbesöüdere die Reduzier rung der recyclingfeindlichen Vielfalt auf am Ende drei Sorten Kunststoffe. Es sollten keine giftigen Additive oder Zusatzstoffe, dafür kennzeichnende Marker eingesetzt werden. Für ihn seien diese Dinge ein „eher kleines Problem“, blockte Dr. Albrecht Eckell ab, Vorsitzender des Verbandes der kunststofferzeugenden Industrie. Mit deutlichem Ärger über die Verpackungsverordnung verlangte er von den Politikern „Vorgaben am Machbaren“. Eine „totale Lösung“ der Pro-

bleme in kurzer Zeit sei „nicht realisierbar“ und - er wiederholte sich - auch nicht nötig wegen der „Kleinheit der Probleme“. Die Industrie versteht die Entsorgungs-Welt nicht mehr: 80 bis 90 Prozent des Öls werden weltweit direkt in Motoren oder Öfen verbrannt, was jeder als normal empfindet. Nur sieben Prozent werden zu Plaste veredelt. Die aber dürfen nicht verbrannt werden.

Wenn diä*Prbtfllm& WfehÄ das öffentliche Interesse aber groß ist, müssen andere für das Mißverhältnis verantwortlich sein. DSD-Aufsichtsratschef Rüschen appellierte denn an die „Multiplikatoren“ - an die Medien-, für mehr Akzeptanz zu sorgen. Das Duale System habe in die Entsorgung eine „ungeheure Bewegung“ gebracht, was aber sei die Folge: „Prügel, nichts als Prügel“, bemerkte Rüschen amtsmüde. Was Wunder, wo doch die Bewegung alles, ein Ziel aber nicht auszumachen ist.

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