Heute berät der Rechtsausschuss des Bundestages über den Entwurf des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetzes, das am 1. Oktober 2001 in Kraft treten soll. Mit dem Gesetz sollen offene Rechtsfragen geklärt werden, die die zu DDR-Zeiten erfolgte Bebauung privater Grundstücke durch öffentliche Nutzer betrifft.
Als »kleine Schwester« des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes, das die private Wohnbebauung fremder Grundstücke regelt, bezeichnet Hagen Stavorinus von der Notarkammer Brandenburg das Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz, das »letzte große Zivilgesetz im Grundstücksrecht der neuen Länder«. Dessen Kernpunkt ist Artikel 1, das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz.
Eine Erhebung im Jahre 1999 ergab, dass über 100000 private Grundstücke mit einer Gesamtfläche von über 120 Millionen Quadratmetern von 1945 bis 1990 in Ostdeutschland ohne Rechtstitel von Kommunen oder dem Land öffentlich genutzt wurden - für Straßen, Wege, Plätze, den öffentlichen Nahverkehr, für Gewässer und Grünanlagen, Freizeiteinrichtungen, Schulen, Kindertagesstätten, Sportanlagen, Krankenhäuser und Feuerwehreinrichtungen. Zugleich soll das Gesetz auch auf Fälle der öffentlichen Nutzung privater Grundstücke durch den Bund (z.B. Militärflächen) sowie durch Post und Eisenbahn angewandt werden.
Bisher regelt ein Moratorium das Besitzrecht der öffentlichen Nutzer, so Notar Stavorinus. Der private Grundstückseigentümer hat gegen den Nutzer Anspruch auf Nutzungsentgelt in Höhe von 0,8 Prozent des Bodenwertes eines vergleichbaren unbebauten Grundstücks und die Freistellung von den öffentlichen Lasten. Dieses Moratorium läuft am 30. September aus. Der Gesetzgeber muss bis dahin eine Lösung schaffen.
Nach dem Gesetzentwurf erhalten Bund, Länder und Kommunen ein vorläufiges Besitzrecht, der Grundeigentümer dafür ein vorläufiges Nutzungsentgelt in Höhe von acht Prozent des Kaufpreises sowie die Freistellung von den öffentlichen Lasten. Endgültig soll der Erwerb des Grundstücks durch den Nutzer das Rechtsverhältnis bereinigen. Er erhält ein zeitlich begrenztes Ankaufsrecht (bis 2007). Erst wenn die Kommune dieses Recht nicht wahrnimmt, kann der Grundstückseigentümer den Kauf verlangen. Der Kaufpreis beträgt bei Verkehrsflächen 20 Prozent des Bodenwertes und wird je nach Größe der Kommune gestaffelt. Für sonstige Flächen wird ein Ankaufspreis von einem Drittel des Bodenwertes berechnet. Bei Ausnahmefällen (Untertunnelung, Brückenpfeiler) ist die Bestellung einer Dienstbarkeit für den öffentlichen Nutzer vorgesehen.
Das Ankaufs- bzw. Kaufverlangen muss durch notariellen Vertrag umgesetzt werden. Kommt kein freiwilliger Vertrag zustande, droht Klage. Das notariell beurkundete Vertragsangebot soll die rasche Abwicklung des Kaufvertrages ermöglichen, betont die Bundesregierung.
Der Artikel 3 des Gesetzentwurfs enthält eine begrüßenswerte Änderung des §12 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes. Dieser betrifft die private Wohnbebauung fremder Grundstücke auf Grund eines Überlassungsvertrages - eines DDR-spezifischen Vertragstyps. Diese Verträge werden nunmehr der Sachenrechtsbereinigung unterworfen. Nutzer können das Grundstück zum halben Verkehrswert hinzukaufen, wenn Aus- und Umbauten die Wohn- oder gewerbliche Nutzung um 50 Prozent vergrößerten sowie wenn bauliche Investitionen an Gebäuden u n d massiven Nebengebäuden (Garagen, Werkstätten usw.) die Hälfte des Wertes bei Übernahme der Gebäude überstiegen. Dabei sollen Investitionen über drei Jahre als eine Investition gewertet werden.
Der Gesetzgeber hat vier Wochen Zeit, das Gesetz über die Runden zu bringen. Notar Stavorinus sieht einen breiten Konsens für die Annahme des Gesetzes. Doch so einfach wird diese nicht zu erreichen sein. Es besteht mindestens Überarbeitungsbedarf. So sieht Rechtsanwalt Prof. Dr. Joachim Göhring, einer der Sachverständigen zur heutigen Anhörung des Rechtsausschusses, Handlungsbedarf in einigen Punkten. Er fordert dringlich die Erweiterung der Regelungen des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes auf Mülldeponien, die nicht selten auf privaten Flächen errichtet wurden. Zugleich hält er für endgültige Lösungen nicht weitere sechs Jahre für nötig, sondern eine Verkürzung der Frist auf drei Jahre.
Göhring kritisiert die Neufassung des § 12 Sachenrechtsbereinigungsgesetz, sie werde dem Umstand nicht gerecht, »dass die Überlassungsnutzer vielfach über Jahrzehnte allein aus eigenen Mitteln Leistungen zur Erhaltung der Wohngrundstücke erbracht haben, die auch durch die Änderungen nicht erfasst werden«. Er verweist dabei auf einen Änderungsantrag der PDS-Bundestagsfraktion, alle Überlassungsverträge, unabhängig vom Umfang der baulichen Investitionen, in das Sachenrechtsbereinigungsgesetz einzubeziehen.
Fast zu erwarten ist, dass der Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer - Haus und Grund Deutschland - in seiner Stellungnahme ablehnt. Seiner Meinung nach reicht die geltende Rechtslage zur Lösung zwischen privaten Grundeigentümern und öffentlichen Nutzern aus, es fehle ein »praktisches Bedürfnis« für das Gesetz. Zudem sei das Gesetz insofern verfassungswidrig, als es Restitutionsfälle einbeziehe. Und insgesamt benachteilige es die privaten Grundeigentümer »einseitig und ungerechtfertigt«. Haus und Grund wendet sich gegen den gesetzlichen Kaufzwang, der Grundsatz der Vertragsfreiheit werde eliminiert. Es finde ein Entzug von Eigentum statt. Und auch der Kaufpreis stelle einen bedeutenden Nachteil für den privaten Grundeigentümer dar. Der Städte- und Gemeindebund wiederum sieht mit dem Kaufpreis große finanzielle Belastungen auf die Kommunen zukommen.
Der Gesetzgeber will die ostdeutschen Grundstücksprobleme so schnell wie möglich vom Tisch haben. Denn die nächsten drängen: Dem Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz muss die Novellierung des Datschen-Gesetzes und der Nutzungsentgeltverordnung folgen. Da wird noch viel Staub aufgewirbelt.