Südländer, Macho, Krimineller

Forscher: Talk-Shows und Boulevard-TV verbreiten Ausländer-Klischees

  • Marion Sonnenmoser
  • Lesedauer: 3 Min.
Sie zappen sich von »Vera am Mittag« (SAT 1) über die »Oliver Geissen Show« (RTL) bis zur »Richterin Barbara Salesch« (SAT1), schauen dann kurz mal bei »Taff« (ProSieben) und »Brisant« (ARD) rein, um dann noch bei »Verbotene Liebe« (ARD) mitzufiebern: Jugendliche verbringen täglich Stunden vor dem Fernsehgerät, besonders Nachmittags- und Vorabendsendungen - Talk-Shows, Gerichtsformate, Boulevardmagazine und Daily-Soaps - haben unter ihnen ein Massenpublikum. Neben Eltern, Angehörigen und Erziehern ist das Fernsehen inzwischen eine wichtige Instanz gesellschaftlicher Orientierung.
In dieser pädagogischen Funktion versagt es jedoch. Das zumindest behaupten Leipziger Medienpädagogen und ihre Münchner Kollegen vom Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis (JFF) in einer gemeinsamen Untersuchung. Sie analysierten anhand von dreißig Nachmittagssendungen das medial vermittelte Ausländerbild. Ihr pessimistisches Fazit: Durch krawallige Zuspitzungen entstünden Vorurteile, ja eine Basis für Fremdenfeindlichkeit.
Die ausländischen Talkgäste und Darsteller sind oft recht leicht als solche zu erkennen: Viele haben einen dunkleren Teint, schwarzes Haar, tragen manchmal traditionelle Kleidung und sprechen mit Akzent oder in gebrochenem Deutsch. Andererseits lassen sich beispielsweise Russen oft nicht ohne weiteres von den Einheimischen unterscheiden. Doch auch wenn Äußeres und Sprache nicht auf eine ausländische Herkunft hinweisen, zeigt sich die »Andersartigkeit« spätestens, wenn sie den Mund aufmachen. Beispielsweise bei Themen wie Beziehung, Sexualität und Frauen. Regelmäßig behaupten etwa junge türkische Männer in Talk-Shows mit Inbrunst, »jede Frau rumkriegen« zu können. Sie legen Wert auf weibliche Unterordnung. Generell fällt auf, dass männliche Ausländer wesentlich häufiger zu sehen sind als weibliche.
Auch in Gerichtsshows treten Ausländer sehr stereotyp auf: Entweder als Zeugen oder Opfer von ausländerfeindlichen Übergriffen - oder aber als mutmaßliche Vergewaltiger, Räuber und Schläger, als Drahtzieher oder Soldaten des organisierten Verbrechens. In »brisanten« Reportagen über Kriminalität sind sie stark überrepräsentiert: Kriminalstatistisch wird jedes fünfte Verbrechen in Deutschland von einem Ausländer begangen, in den Boulevardmagazinen ist es jedes dritte. In Daily Soaps sind sie dagegen überaus angepasst. »Ausländer-Rollen« werden hier gern mit Südamerikanern oder Südeuropäern besetzt. Die real größten Einwanderergruppen sind kaum vertreten.
Die beteiligten Ausländer tragen indessen selbst zu ihrem negativen Image bei, weil sie sich bei den Castings der TV-Sender bewerben und in den Sendungen die »typischen Ausländer-Rollen« spielen - angetrieben durch die Aussicht auf Geld, durch Publikumserwartungen, durch Vorgaben von Regisseuren und Drehbuchschreibern und durch den Wunsch, ein »Fernsehstar« zu sein. In den Castings werden teilweise gezielt Ausländer ausgesucht, die großspurig und aggressiv auftreten. Talk-Show-Moderatoren machen nach Ansicht der Forscher mitunter Stimmung gegen Ausländer, indem sie »spontane« Publikumsbeschimpfungen zulassen. Schließlich muss es »fetzen«. Nur das bringt Quote.
Laut der Leipzig-Münchner Studie übernehmen die jungen Zuschauer die Stereotype, die ihnen im Nachmittagsprogramm vorgeführt werden. Besonders Kinder ab zehn Jahren seien dafür empfänglich. Da sei ihr Umfeld gefragt. Lernziel: »Ausländer sind nicht alle so wie im Fernsehen.«


Die Studie »Was guckst du, was denkst du? Der Einfluss des Fernsehens auf das Ausländerbild von Kindern und Jugendlichen« ist kostenlos zu beziehen unter (0431) 974560 oder ulr@ulr.de.

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