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  • Politik
  • TÜRKEI: Trauer um ermordeten kurdischen Parlamentsabgeordneten in Ankara verboten

tötet unbehelligt weiter „Hizb-i Kontra

  • ZEYNEL ABIDIN, Istanbul
  • Lesedauer: 3 Min.

ND-Karte: Wolfgang Wegener

Tausende Kurden, die an der feierlichen Beisetzung des ermordeten Parlamentsabgeordneten Mehmet Sincar teilnehmen wollten, wurden jüngst in der Umgebung von Ankara gestoppt und zurückgeschickt, zahlreiche festgenommen. Die Behörden der türkischen Hauptstadt hatten den Trauerzug verboten. Sincar, Mitglied der Demokratischen Partei (DEP), war zusammen mit dem Lokalpolitiker Metin Özdemir am 4. September im südosttürkischen Batman erschossen worden. Beide hatten einer Gruppe angehört, die die Todesumstände des am 1. September ermordeten DEP-Vorsitzenden von Batman, Habib Kilic, untersuchen wollte.

Die 17 DEP-Abgeordneten in der Nationalversammlung, die auf Listenplätzen der regierungsbeteiligten Sozialdemokratischen Volkspartei (SHP) ins Parlament gekommen sind, wollen in den nächsten Tagen entscheiden, ob sie ihre Sitze aus Protest räumen. Denn obwohl die DEP erst vor drei Monaten, nach dem dubiosen Verbot der kurdischen Arbeitspartei des Volkes (HEP) durch das Oberste Ge-. rieht, gegründet wurde, ka-

men bereits sieben ihrer Mitglieder bei Mordanschlägen ums Leben, bei der HEP waren es 47 Staatspräsident Süleyman Demirel hatte der DEP erst kürzlich gedroht: „Wer nicht für die Sicherheitskräfte ist, ist ein Verräter. Jeder, der der kurdischen Guerilla nahesteht, ist ein Feind.“

Parteichef Yasar Kaya, Herausgeber der Tageszeitung Özgür Gündem, sagte, man wolle sich offiziell an die Vereinigten Staaten als „internationale Schutzmacht“ wenden. Aus Protest soll entgegen den Gepflogenheiten der Leichnam Sincars nicht zum

Parlament gebracht werden.Man werde auch keine feierliche Beisetzung durch den Staat erlauben, so Kaya.

Inzwischen hat die Polizei einen Tatverdächtigen testgenommen. Es handelt sich um ein Ex-Mitglied der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), das nach einer früheren Verhaftung die Fronten gewechselt hatte. Von Regierungsseite hieß es, der Mord sei Ergebnis des Krieges zwischen der PKK und der islamisch-fundamentalistischen Hizbullah (Partei Gottes). Dagegen sprechen jedoch mehrere Indizien: Der Mord geschah am hellichten Tag auf einer belebten Straße, dennoch konnten die Täter verschwinden, unbehelligt von der Polizei. Außerdem war die DEP-Delegation zuvor in Diyarbakir von Polizisten kontrolliert worden, unter denen auch der mutmaßliche Täter gewesen sein soll.

Schließlich beobachteten Polizisten die Delegation auf Schritt und Tritt, verschwanden jedoch kurz vor der Tat und tauchten wenige Minuten danach wieder auf, ohne allerdings die geflohenen Attentäter zu verfolgen.

Die südosttürkische Stadt Batman hält den traurigen Rekord bei Morden an kurdischen Oppositionellen - seit einem Jahr sind 500 Bürger ermordet worden, davon 170 in Batman, allein im letzten Monat kamen 19 Menschen ums Leben. Zu den meisten Morden hat sich die Hizbullah bekannt. Daß - vom aktuellen Fall angesehen - niemand verhaftet wurde, kann zweierlei bedeuten: Entweder deckt der Staat islamische Fundamentalisten. Da aus deren Kreisen immer wieder verlautete, die Angriffe gingen nicht von ihnen aus, könnten die Attentäter aber auch aus der von Militärs aufgebauten „Conter-Guerilla“ stammen. Sie benutzt den Namen der Hizbullah, um von Hintermännern im eigenen Land abzulenken. Es gibt nämlich eine von Iran unterstützte Gruppierung gleichen Namens. Im Volksmund macht längst das Wort von der „Hisb-i Kontra“ die Runde.

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