Eine Allianz für Einzelkämpfer

Design ist keine brotlose Kunst

  • Christina Sahr
  • Lesedauer: 5 Min.
Design - das klingt nach Luxus und gutem Geschmack. Doch es ist gar nicht so einfach, von Design zu leben. Unterstützung in berufswirtschaftlichen Fragen finden Designer beim Berufsverband Allianz deutscher Designer, kurz AGD.
Ihre Briefmarken werden seit Jahrzehnten prämiert, ihre Kinderbücher muss man einfach lieb haben, und ihre Modellbögen sind an Kunstfertigkeit kaum zu überbieten. Trotzdem läuft auch Ursula Abramowski-Lautenschläger das Geld nicht hinterher.
Die gebürtige Berlinerin ist seit 1969 freiberuflich tätig. Mit der Wende wurde aus der "Gebrauchsgrafikerin" eine "Grafikdesignerin", und auch sonst änderte sich vieles. So war es zum Beispiel notwendig geworden, Wissen und Energie in die kaufmännische Seite des Berufs zu investieren. »In dieser Situation«, sagt Frau Abramowski-Lautenschläger, »war der Eintritt in einen Berufsverband eine Lebensnotwendigkeit für mich.«
Anders als andere Freiberufler, wie etwa Ärzte oder Anwälte, gehören Designer keiner Kammer an. Somit gibt es keine verbindlichen Honorare, sondern die Preise werden zwischen Designern und Auftraggebern frei verhandelt. Wobei die Freiheit in Zeiten schlechter Auftragslage auf Seiten des Designers meist höchst begrenzt ist. Zudem fehlt es vielen an Orientierung. Was nehmen die anderen? Was kann ich verlangen? Und was muss ich verlangen, damit ich von meiner Arbeit auch leben kann?
Mitglieder der AGD haben es deutlich leichter, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Denn der Berufsverband gibt seit 1979 den "Vergütungstarifvertrag Design" heraus. Dieser wird zwischen dem Arbeitgeberverband Selbständige Design-Studios (SDSt) e.V. und der Allianz deutscher Designer (AGD) e.V. ausgehandelt. Zwar kann kein Auftraggeber gezwungen werden, sich nach dem Tarifvertrag zu richten, doch bietet er eine wichtige Orientierungshilfe. Kommt es zum Beispiel zu einem Rechtsstreit zwischen einem Designer und seinem Auftraggeber, werden die Preise des Vergütungstarifvertrags von Gerichten häufig als Maßstab herangezogen.
Ebenso wichtig wie der Tarifvertrag ist den Mitgliedern die Gemeinschaft. Sich gegenseitig informieren und beraten, sich den Rücken stärken, sich wohl fühlen unter Gleichgesinnten - für freiberufliche Designer, die meist Einzelkämpfer sind, bedeutet das eine erhebliche Verbesserung an Lebens- und Arbeitsqualität. »Zu-sammen mit den Kollegen im Nabel der Zeit wühlen« formuliert es Nina Mascher, ein junges Mitglied aus Berlin Prenzlauer Berg.
AGD-ler in Berlin haben es besonders leicht, der Lust an der Gemeinsamkeit zu frönen. Denn es gibt einen regelmäßigen Designer-Stammtisch an jedem ersten Mittwoch im Monat. Und hier werden nicht nur gekühlte Getränke, sondern auch handfeste Informationen serviert. Mitglieder mit Spezialwissen oder geladene Gäste halten Vorträge zu Steuerfragen, neuen Computer-Programmen oder Fragen der Altersvorsorge. Die Vorträge werden organisiert von Peter Paul Hennicke, dem Regionalsprecher des Verbandes für Berlin und Brandenburg. Monat für Monat kommen zwischen 50 und 80 Mitglieder zu den Treffen.
Nach der Vereinigung machte Ursula Abramowski-Lautenschläger sich zügig auf die Suche nach einem geeigneten Verband. »Da ich nicht in Leipzig oder Halle wohnte, sondern in Berlin, konnte ich schnell mal "in den Westen" fahren. Dort ging ich in eine Telefonzelle und suchte mir die Nummern von geeigneten Verbänden heraus.« Außer der AGD fand sie den Bund deutscher Grafiker, kurz BDG, ließ sich von beiden Unterlagen schicken und entschied sich schließlich für die AGD. »Ich finde, die können besser verkaufen helfen.« Seit Mai 1990 ist Ursula Abramowski-Lautenschläger Mitglied des Berufsverbandes.
Auch die persönliche Bekanntschaft mit Lutz Hackenberg, dem Geschäftsführer des Verbandes, habe damals bei der Entscheidung eine Rolle gespielt, wie Frau Abramowski-Lautenschläger gern zugibt. Der Mitbegründer der Designer-Allianz war zu dieser Zeit viel unterwegs, um den Verband in den neuen Bundesländern bekannt zu machen. Durch die neuen Mitglieder wuchs der Verband sehr stark.

Du weißt, was ich nicht weiß
Nina Mascher ist von folgender Wirkungskette überzeugt: Mitgliedschaft und Mitwirkung in der AGD stärken den Verband, dessen Renommee wiederum wirkt sich positiv auf die Anerkennung des Berufs aus, verbessert die Bedingungen und damit auch die Position des einzelnen. »Gegen die Vereinzellerung und das Exotentum.«
Wer neu in die AGD kommt, sei häufig überrascht von dem Klima der Offenheit. Stets den Schein des erfolgreichen Designers zu wahren ist äußerst anstrengend, für viele aber längst Gewohnheit geworden. In der AGD redet man miteinander. Auch über Probleme und Sorgen. Das schafft Erleichterung, stärkt den Rücken und bannt Gefahren. Schwarze Schafe unter Auftraggebern, ominöse Job-Vermittler und obskure Vertragsangebote werden unter AGD-Kollegen schnell bekannt.
Ein Grafik-Designer wird um ein Angebot gebeten. Er soll eine Imagebroschüre gestalten, in der Illustrationen eine wesentliche Rolle spielen. Er selbst kann jedoch gar nicht illustrieren. Was nun? Er könnte den Auftrag einfach ablehnen. Er kann sich auf die Schnelle einen Illustrator suchen - was jedoch ein Risiko birgt, weil man Stil und Arbeitsweise des anderen ja nicht kennt. Oder er kann AGD-Mitglied sein. Der Verband vereinigt Designer aller Fachrichtungen, man weiß um die Qualitäten der Kolleginnen und Kollegen. Der Grafik-Designer in der AGD nimmt den Auftrag an, gibt die Illustrationen in bewährte Hände und bewältigt das Projekt zur allgemeinen Zufriedenheit. Die AGD ist nicht zuletzt Netzwerk.


Service für Designer

Die Allianz deutscher Designer AGD vertritt Designer seit 1976, hat heute rund 3500 Mitglieder und ist damit einer der größten Designer-Verbände Europas. Sie ist »der freundliche Serviceverband für selbstständige De-signer aller Designbereiche«: Foto-Design, Kommunikations-Design, Grafik-Design und Illustration, Web-Design, Messe- und Ausstellungs-Design, Mode-Design, Produkt- und Industrie-Design, Text und Textil-Design.
Ihre Aufgabe sieht der Berufsverband darin, Designer bei der kaufmännischen Seite ihrer Arbeit zu unterstützen und zur Verbesserung der berufswirtschaftlichen Situation beizutragen. Die Frage der angemessenen Vergütung regelt der jährlich aktualisierte »Vergütungstarifvertrag für Designleistungen«.
Mitglieder werden in Rechts- und Steuerfragen von Spezialisten kostenlos beraten. Die AGD veranstaltet Seminare, in denen Mitglieder sich beispielsweise in Rhetorik, Akquisition oder Preisargumentation schulen können. Verschiedene Publikationen und fachbezogene Arbeitshilfen werden regelmäßig herausgegeben.

AGD, Allianz deutscher Designer, Steinstraße 3, 38100 Braunschweig.
Tel.: (0531)16757, Fax: 1698, Internet: www.agd.de
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