Hamburg will Afrikaner abschieben, egal wohin

»Honorar« für Chef der Flughafen-Polizei in Cotonou

  • Guido Sprügel
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Hamburger Ausländerbehörde versucht, abgelehnte afrikanische Asylbewerber, die weder über Pässe noch Ersatzpapiere einer Botschaft verfügen, mit nur für eine »einmalige Reise« gültigen deutschen Formularen in diverse afrikanische Staaten abzuschieben.
Für den Hamburger Rechtsanwalt Mark Nerlinger der drei Flüchtlinge betreut, die so außer Landes gebracht werden sollen, handelt es sich dabei um »kein rechtsgültiges Reisedokument«. Dazu werde es nur bei einer Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik und dem betreffenden Staat. »Die liegt mir in den von mir betreuten Fällen nicht vor.« Für die von dem Anwalt betreuten Mandanten wurden solche international nur in Ausnahmefällen anerkannten »Reisedokumente« für Benin, Burundi und Sudan erstellt, obwohl die Herkunft aller drei ungeklärt ist und es von den betreffenden Staaten keine aktenkundige Zusage für die Aufnahme der Flüchtlinge gibt. An die Papiere gelangte der Anwalt nur durch Akteneinsicht; die Flüchtlinge selbst bekommen sie gar nicht zu Gesicht. In einem Fall wurde als Zielland Sudan eingetragen, obwohl dessen Botschaft ausdrücklich erklärt hatte, dass der Flüchtling nicht aus ihrem Land stamme. Der Flüchtlingsinitiative WOGE sind analoge Fälle mit den Zielen Guinea-Bissau und Sierra Leone im Reisepapier bekannt. Der Pressesprecher der Hamburger Innenbehörde, Norbert Smekal, versuchte zu beschwichtigen: »Diese Verfahrensweise ist die absolute Ausnahme und bedarf der Absprache mit den Grenzbehörden des Ziellandes. Stellt sich dann bei der Einreise heraus, dass der Flüchtling nicht aus dem Land stammt, muss die Ausländerbehörde selbstverständlich für seinen Rücktransport aufkommen.« In zwei von drei der bislang bekannten Hamburger Fälle müsste es dazu eigentlich kommen, da die jeweiligen Botschaften die Staatsangehörigkeit verneint haben. Ein eventuell notwendiger Rücktransport wird durch die sehr verzweigten geplanten Reiserouten der Flüchtlinge erschwert. Bei Direktflügen könnte die Airline für die Beförderung mit nicht legitimen Papieren haftbar gemacht werden und müsste direkt bei verweigerter Einreise z.B. in Benin den Rücktransport übernehmen. Die Hamburger Behörde schickt die Flüchtlinge aber über Amsterdam zunächst in irgendein afrikanisches Land, wo sie in eine Maschine einer afrikanischen Airline gesetzt werden, die sie in das eigentliche Zielland fliegt. Dort kann nur die afrikanische Airline haftbar gemacht werden, eine Pflicht von KLM zum Rücktransport scheint ausgeschlossen. Inzwischen ist ein Fall dokumentiert, in dem die Hamburger Ausländerbehörde dem »Commissaire Principal de Police in Benin am Flughafen« einen Auftrag erteilte, die Herkunft eines Flüchtlings zu recherchieren. Für diese Suche und die Konsultation eines Dolmetschers überwies die Behörde knapp 750 Euro. Als der gewünschte »Beweis« erbracht war, dass der Flüchtling aus Benin stammt, kündigte die Hamburger Behörde demselben Chef der Flughafenpolizei von Cotonou mit exakten Daten an, wann der Flüchtling eintreffen soll - ausgestattet mit dem dubiosen Reisepapier. Wurde hier eine Einreise im Vorfeld auf unterer Ebene abgesprochen und finanziell untermauert? Auch die Hamburger Bürgerschaft scheint diese Praxis zu kennen. Eine Eingabe vom 28. 10. 2003 mit der Frage nach der Legitimation der Maßnahme wurde von dem Petitionsausschuss wie folgt beantwortet: »Da seit kurzer Zeit Rückführungen nach Benin mit einem EU-Laissez-Passer möglich sind, wurde die Abschiebung des Petenten für den... festgesetzt.« Ilka Graupner von Woge ist empört: »Das hieße ja, dass Hamburg von sofort an im großen Stil Menschen ohne Papiere be liebig abschieben kann.« Rechtsanwalt Nerlinger ist von einer solchen Übereinkunft mit Benin nichts bekannt. Auf seine Nachfrage bestritt die Botschaft des Landes, dass es dergleichen gibt. Bei der Hamburger Ausländerbehörde beruft man sich aber auf eine Liste des Auswärtigen Amts mit Ziel-Ländern für derartige »einmalige Reisen«. Noch hat keiner der drei Flüchtlinge seine verordnete Reise angetreten. Der freiwilligen unbegleiteten Ausreise kamen sie nicht nach und bei einem Abschiebeversuch in »Begleitung« des BGS klagte der Betreffende, so dass der Flugkapitän die Beförderung verweigerte. Doch vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, wann der erste aus Hamburg abgeschobene Flüchtling mit einem Papier vor einem afrikanischen Einreisebeamten steht, das eine von deutschen Behörden willkürlich festgelegte Staatsangehörigkeit enthält. Die erste von BGS-Beamten »begleitete« Abschiebung in einem der genannten Fälle steht in drei Wochen an.
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