Anspruch auf eine wahrheitsgemäße Beurteilung

  • GERD SIEBERT
  • Lesedauer: 3 Min.
Um Arbeitszeugnisse hat es schon viele Auseinandersetzungen gegeben, und nicht wenige davon landeten vor den Arbeitsgerichten. Arbeitszeugnisse sind wichtig für die berufliche Entwicklung, zumal wenn sich Arbeitnehmer verändern und in anderen Betrieben bewerben wollen. Dort läuft ohne Zeugnis nichts. Der Betriebsrat hat bei der Erstellung des einzelnen Arbeitszeugnisses kein Mitbestimmungsrecht. Werden im Betrieb - besonders in größeren kann das der Fall sein - Beurteilungsfragebögen und entsprechende Textbausteine für eine standardisierte Zeugniserstellung verwandt, so hat der Betriebsrat bei der Festlegung solcher Beurteilungskriterien mitzubestimmen. Ein Arbeitnehmer, der sich im Zeugnis nicht richtig bewertet sieht, hat immer das Recht, eine Korrektur der Beurteilung zu verlangen, notfalls diese vor dem Arbeitsgericht zu erstreiten. In einem neuen Urteil hat sich sogar das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit einem Fall offenbar ungerechter Beurteilung befassen müssen und den Grundsatz aufgestellt, Arbeitnehmer hätten Anspruch darauf, dass ihre Leistungen der Wahrheit gemäß beurteilt werden. Der konkrete Fall: Ein Arbeitgeber hatte einem Arbeitnehmer bescheinigt, zu seiner »vollen Zufriedenheit« gearbeitet zu haben. Diese Bewertung genügte dem Arbeitnehmer nicht, weil er sie als »befriedigend, durchschnittlich« empfand. Er habe aber so gearbeitet, dass er die Note »gut« verdiene. Um dies im Zeugnis auszudrücken, müsse der Arbeitgeber ihm bescheinigen, dass er »stets« zur vollen Zufriedenheit gearbeitet habe. Das Landesarbeitsgericht wies die Klage ab, weil es meinte, der Arbeitgeber habe den Kläger als »überdurchschnittlich« beurteilt. Das BAG aber stellte fest, nach der im Arbeitsleben weithin üblichen »Zufriedenheitsskala« sei der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber nur durchschnittlich und nicht gut beurteilt worden. Das LAG habe die streitigen Tatsachen über die Art und Weise der Erledigung der Arbeitsaufgaben durch den Arbeitnehmer nicht aufgeklärt. Das sei fehlerhaft, und so verwies das BAG den Fall an das LAG zur nochmaligen Prüfung zurück. Die in diesem Urteil des BAG entwickelten Kriterien sagen Folgendes: Der Spielraum des Arbeitgebers bei seinen Beurteilungen sei nur eingeschränkt überprüfbar. »Voll überprüfbar sind dagegen die Tatsachen, die der Arbeitgeber seiner Leistungsbeurteilung zu Grunde gelegt hat.« Bei einer »durchschnittlichen« Beurteilung müsse der Arbeitnehmer Tatsachen vortragen und beweisen, die eine bessere Beurteilung ergeben können. Umgekehrt muss bei »unterdurchschnittlicher« Beurteilung der Arbeitgeber Tatsachen und Beweise vorbringen, die diese schlechte Wertung stützen (Urteil vom 14. Oktober 2003, Az. 9 AZR 12/03). In manchen Betrieben werden aber auch von Zeit zu Zeit schriftliche Beurteilungen der Leistung von Arbeitnehmern vorgenommen, die nicht in Form von Zeugnissen ausgehändigt, sondern der Personalakte beigegeben werden. Oft merken Betroffene dies erst, wenn sie vom Recht auf Einsicht in die Personalakte gemäß § 83 Betriebsverfassungsgesetz Gebrauch machen. Um sich die eigene Personalakte anzusehen, ist der Arbeitnehmer berechtigt, ein Mitglied des Betriebsrats hinzuzuziehen. Findet er darin solche Beurteilungen oder sonstige Feststellungen, zu denen er eine andere Meinung hat, so kann er diese schriftlich niederlegen und verlangen, dass sie in die Personalakte aufgenommen wird. Betriebsratstätigkeit darf in einem Arbeitszeugnis nicht erwähnt werden, es sei denn, der Arbeitnehmer wünscht dies ausdrücklich. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass Betriebsratsarbeit mit der arbeitsvertraglichen Leistung des Arbeitnehmers nichts zu tun hat.

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