- Wirtschaft und Umwelt
- Wahlkampf und Wirtschaftspolitik: Hat die PDS Alternativen zu bieten?
Sachorientiert und kompetent – doch nicht konfliktfrei
Wirtschaftspolitische Vorstellungen, die dringendsten Probleme in den neuen Bundesländern zu lösen, waren ein zentrales Thema der Brandenburger Kommunalwahlen. Das wird im Marathon-Wahljahr nicht anders sein. Dabei ist oft an die Adresse der PDS zu hören: Ihr stellt nur Forderungen, habt aber selbst keine Konzepte, wie sie verwirklicht und finanziert werden sollen. Oder: Wirtschaftspolitische Vorschläge der PDS seien von der SPD oder den Grünen übernommen. KLAUS STEINITZ von der AG Wirtschaftspolitik der PDS setzt sich mit vier Fragen auseinander.
1. Verfügt die PDS über wirtschaftspolitische Konzepte und reichen sie als Politikangebote und Vorschläge für konkrete Initiativen aus?
Die PDS war auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene stets bemüht, die Bonner marktradikale Anschlußpolitik nicht nur zu kritisieren, sondern ihr auch Alternativen entgegenzusetzen, in denen größtenteils auch Vorstellungen zur Finanzierung enthalten waren. Das gilt für die Zeit von 1990 bis heute, von den Vorschlägen zum Treuhandgesetz, Einigungsvertrag und zur Währungsunion im Jahr 1990 bis zum Gegenkonzept zur Standortdiskussion.
Es wäre aber vermessen und auch falsch zu behaupten, damit seien schon die notwendigen wirtschaftspolitischen Vorstellungen für die Lösung dringender Probleme gegeben. Yorhandene Ansätze und Überlegungen müssen vertieft und der öffentlichen Diskussion und Kritik vorgelegt werden. Dabei darf auch nicht der Eindruck erweckt werden, daß die PDS kurzfristig greifende oder konfliktfreie Lö-
sungen hat. Illusionslos sollten wir auch sagen, daß nach dem wirtschaftlichen Desaster von dreieinhalb Jahren Deindustrialisierung und massenhafter Vernichtung von Arbeitsplätzen Tatsachen geschaffen wurden, die nicht oder nur sehr schwer korrigiert werden können.
2. Woran liegt es, daß wirtschaftspolitische Vorstellungen der PDS in der Öffentlichkeit wenig bekannt sind?
Die geringe Wahrnehmung wirtschaftspolitischer Vorstellungen der PDS in der Öffentlichkeit hängt natürlich damit zusammen, daß ihr die Medien weitgehend versperrt sind. Hinzu kommen Probleme, die in der PDS selbst liegen. Wirtschaftspolitische Fragen werden in der praktischen Arbeit der PDS häufig noch unterschätzt und stiefmütterlich behandelt.
3. Was hat es mit der Übereinstimmung der wirtschaftspolitischen Vorschläge der PDS mit denen anderer Parteien und Bewegungen auf sich?
In der Tat gibt es bei vielen konkreten Forderungen, z.B. zur Veränderung des Steuer-
systems, Streichung der Altschulden der Betriebe und Wohnungsbaugesellschaften, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, gegen Sozialabbau sowie zu einer aktiven Strukturpolitik viele Übereinstimmungen mit SPD und Bündnis 90/Grüne und einzelnen Abgeordneten der neuen Bundesländer aus den Koalitionsparteien. Ist das aber schlecht? Das ist doch vielmehr eine unerläßliche Bedingung, um durch gemeinsame Aktionen und Initiativen - die es bisher viel zu wenig gibt - politischen Widerstand und Druck auszuüben, um Änderungen in der Wirtschaftspolitik zu erreichen. Das Anliegen muß immer darin bestehen, sachorientierte Lösungen für die Bürger zu erreichen. Es geht nicht darum, welche Partei eine neue Idee oder einen konkreten Vorschlag als erste geäußert hat, sondern darum, wie sie aufgegriffen und mit welcher Konsequenz und Energie in Aktionen und Initiativen umgesetzt werden. Das Problem gegenüber der SPD ist nicht, daß es zuviel Übereinstimmungen gibt, sondern daß viele an sich richtige Forderungen von der SPD-Führung oft nur verbal und halbherzig vertreten oder auch aufgegeben werden.
4. Welchen Anforderungen müssen wirtschaftspolitische Konzepte und Vorschläge der PDS genügen?
- Wirtschaftliche Entwicklung und Wirtschaftspolitik
dürfen nicht als Politikfelder an sich betrachtet werden, sondern müssen auf soziale und ökologische Ziele und Erfordernisse gerichtet sein. Im Zentrum der konkreten Wirtschaftspolitik der 90er Jahre müssen solche Aufgaben stehen, wie die Schaffung von Arbeitsplätzen, um die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen; langfristige Sicherung der sozialstaatlichen Leistungen; Verkehrs-, Energie-, Abfall- und Strukturkonzepte, um den ökologischen Umbau voranzubringen. Dieses Herangehen zeigt sich bei der Standortdebatte in der Forderung der PDS, daß es nicht schlechthin um Sicherung des Wirtschafts-, sondern vor allem des Arbeits-, Lebens- und Umweltstandorts Deutschland geht.
- Um die wachsenden sozialen und ökologischen Aufgaben in der Bundesrepublik sowie eine Revitalisierung der ostdeutschen Wirtschaft finanzieren zu können, muß es sowohl einschneidende Umschichtungen in den sozial ungerechten Verteilungsverhältnissen als auch eine zukunftsorientierte schrittweise Umgestaltung der Wirtschaftsstrukturen und der gesamten wertschöpfenden Arbeit geben. Veränderungen in der Verteilung der Einkommen und Vermögen sind unerläßlich, reichen jedoch nicht aus. Die notwendigen finanziellen Mittel können auf Dauer nur
gewonnen werden, wenn eine leistungsfähige, innovative Wirtschaft existiert bzw in Ostdeutschland wieder herausgebildet wird. Die PDS-Forderung nach einer Reindustrialisierung Ostdeutschlands und die Schaffung starker Forschungs- und Technologiepotentiale gehören daher zu den Schlüsselfragen.
- Die Alternativen wenden sich gegen die Allmacht des Marktes und sind auf öffentliche Steuerung und Kontrolle gerichtet. Dazu müßte vor allem eine aktive regionale und sektorale Struktur- sowie Forschungs- und Technologiepolitik mit Beschäftigungsund Bildungspolitik verbunden werden. Zugleich müßten Wohnen, Gesundheit, Wissenschaft, Bildung und Kultur aus der marktwirtschaftlichen Regulierung „befreit“ werden. Eine stärkere Wirkung des Staates in der Wirtschaft muß mit Demokratisierung der Entscheidungsprozesse, einschließlich stärkerer Einflußnahme der Regionen, verbunden werden.
Wirtschaftspolitische Konzepte ? und Vorschläge müssen von den neuen, veränderten Bedingungen in Europa und in der Welt ausgehen, stärker auf europäische Lösungen, auf die aktive Gestaltung gleichberechtigter Wirtschaftsbeziehungen mit Osteuropa sowie auf Beiträge zur Lösung des Nord-Süd-Konflikts gerichtet sein.
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