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Vom Recht auf Nutzungsentschädigung (2)

  • Lesedauer: 3 Min.
Im Ratgeber Nr. 618 vom 10. Dezember 2003, Seite 5 veröffentlichten wir ein Urteil des Landgerichts Chemnitz (Az. 6 S 4147/01) zum Nutzungsentgelt. Nutzer eines Grundstücks, das ihnen zu DDR-Zeiten zur unentgeltlichen Nutzung per Urkunde auf der Grundlage von Gesetzen und Verordnungen übergeben wurde, hatten darauf ein Eigenheim gebaut. Vom ehemaligen Eigentümer kauften sie 1998 das Grundstück, sie hatten vorher von 1995 bis 1997 Nutzungsentgelt gezahlt. Der Eigentümer forderte vor Gericht Nutzungsentgelt auch für 1992 bis 1994 auf Grund der Novellierung des Artikels 233 § 2a EGBGB. Das Berufungsgericht Chemnitz lehnte das ab, da mit diesem sachenrechtlichen Moratorium nur ungeklärte und so genannte hängende Besitzfälle erfasst würden. Doch so einfach ist die Sache offensichtlich nicht. Rechtsanwalt Prof. Dr. JOACHIM GÖHRING machte den Ratgeber darauf aufmerksam, dass das Urteil des Landgerichts Chemnitz bereits am 25. Juli 2003 durch den Bundesgerichtshof (BGH) aufgehoben wurde (Az. V ZR 2/03). Der BGH bestimmte: Der Anspruch auf Nutzungsentgelt nach Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 4 Einführungsgesetz zum BGB steht dem Eigentümer auch gegen denjenigen Nutzer zu, der ein Besitzrecht auf Grund nach Art. 233 § 3 EGBGB fortgeltenden Nutzungsrechts hat, das nach §§ 219 ff. ZGB der DDR begründet wurde. Der Grundstückseigentümer hätte Anspruch auf ein Nutzungsentgelt in Höhe des nach Sachenrechtsbereinigungsgesetz zu zahlenden Erbbauzinses. Außerdem sei das Besitzmoratorium nicht auf ungeklärte Besitzfälle beschränkt. Der Gesetzgeber hat mit dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz die Moratoriumstatbestände authentisch interpretiert, heißt es in dem BGH-Urteil. Damit würde auch der Fall erfasst, in dem der Nutzer durch ein zu DDR-Zeiten begründetes und fortbestehendes dingliches Nutzungsrecht gesichert war. Der Eigentümer hat also ein Recht auf Nutzungsentgelt. Der Nutzer kann sich nur auf Vereinbarungen mit dem Eigentümer berufen, nicht aber auf solche mit der Behörde (der DDR), von der er sein geschütztes Recht ableitet, heißt es im Urteil. Nichts anderes gilt hier, wenn der Nutzer auf ein gesetzliches, zu DDR-Zeiten begründetes, nicht mit dem Eigentümer vereinbartes Nutzungsverhältnis verweisen kann. Dem steht, so der BGH, auch nicht entgegen, dass die Altrechte der Nutzer bestehen geblieben sind. Das Bundesverfassungsgericht habe auch die Regelung, dass der Eigentümer erst ab 1995 Nutzungsentgelt erhalten dürfe, als nicht mit Art. 14 Grundgesetz vereinbar angesehen. Diese Gründe würden sowohl für ungeklärte als auch für klare Besitzfälle, bei denen sich die Nutzer auf ein zu DDR-Zeiten begründetes Nutzungsrecht stützen können, gelten. Denn letzteres Nutzungsrecht sei durch den Gesetzgeber nur vorläufig eingestuft worden, im Übrigen aber der Sachenrechtsbereinigung unterstellt. Die Beschränkung der Eigentümerrechte wäre sowohl in ungeklärten als auch in klaren Fällen gleich. Also hat der Eigentümer des Grundstücks in dem beschriebenen Fall ein Recht auf Nutzungsentgeltzahlung auch für die Jahre 1992 bis 1994. Das Berufungsurteil des Landgerichts Chemnitz wurde aufgehoben. Das Urteil des Amtsgerichts Marienberg zur Zahlung bestätigt. Nach diesem BGH-Urteil ist nun das Landgericht Berlin voll eingestiegen. In einem Urteil vom 4. November 2003 (Az. 65 S 198/ 03) bestimmte das LG: Nach Art. 233 § 2a Abs.1 S.4 EGBGB kann der Eigentümer gegenüber dem Nutzer ein Entgelt in Höhe des nach den §§ 51 Abs.1 S.2 Sachenrechtsbereinigungsgesetz zu zahlenden Erbbauzinses verlangen, wenn die Beklagte auf dem Grundstück mit Billigung staatlicher Stellen ein Eigenheim errichtet hat... Der Besitzschutz in Art. 233 § 2a EGBGB ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen weder ein vertragliches noch ein sonstiges Besitzrecht nach den Rechtsvorschriften der DDR begründet wurde. Dabei beruft sich das Landgericht Berlin auf die Entscheidung des BGH vom 25. Juli 2003. Der Nutzer eines Grundstücks, der darauf ein Eigenheim gebaut hat, muss also auch schon vor 1995 Nutzungsentgelt zahlen. Prof. Dr. Göhring verweist jedoch auf die Verjährungsfrist von zwei Jahren, die ab 8. November 2000 einsetzte, wenn nicht bis dahin bereits geklagt oder ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung erzielt wurde.

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