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Ist die Gesinnung der Polizisten so anders?

  • Lesedauer: 4 Min.

Foto: Katia Davis

Ist denn die Gesinnung der Polizei nun wirklich so anders als die der durchschnittlichen Bevölkerung? Eine haßerfüllte Konzentration von Menschen, die Andersdenkende prügeln, Ausländer schmähen und Schwule terrorisieren? Oder ist sie nur ein Spiegelbild dieses Sammelsuriums von Menschen?

Die Zusammensetzung der neuen- ?' ? Polizeianwärter ; ' “'sei nicht'' gerade ' vielversprechend'; abö ?'wdhP'keriHzeicHnend für die Situation nach der Vereinigung dieser Stadt. Die meisten haben nur Volksoder Realschulabschlüsse, und 70 bis 80 Prozent der Bewerber stammen aus dem Umland, also Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit. Übrigens sind 50 Prozent Frauen. Hohes Anfangsgehalt und mögliche freie Unterkunft erscheinen als Anreiz. Der Bildungsstand der Jugendlichen ist allerdings oft gering und die politische Einstellung konservativ oder sogar reaktionär.

In der Polizeischule wurden seit 1980 türkische Sprachkurse angeboten und Seminare über Mentalität, Sitten, Religion, Land und Leute durchgeführt. Doch seit zwei Jahren gibt es gerade dies nicht mehr. Dabei leben in Berlin inzwischen über 400 000 Ausländer, davon 180 000 Muslime.

^wei hohe PcJizeibj?arflte,,.die mit der Fortbildung innerhalb der, Polizei iund der AGA.. zu tun haben.“Beide senen“in der momentanen Situation ein bedrohliches Problem und meinen, daß der demokratischen Beeinflussung dieser 16-, 17jährigen Polizeischüler mehr Aufmerksamkeit geschenkt wprHpn müßte

in türkischer Sprache grüßten, war^n jc,frt,. nur ,ih/n. die, Überraschung anzusehen. Mir verschlug es.,die Sprache. fi , ( ,., .

Hans Günter Mahr und Walter Bitterhoff sprechen relativ gut türkisch und haben auch sonst noch einige Gemeinsamkeiten. Sie erzählen von ihrer Mitgliedschaft im „Diskussionskommando“ der Polizei, das 1968 als Experiment gegründet wurde. Seine ausschließlich freiwilligen Mitglieder erarbeiteten ihr eigenes Einsatzkonzept und luden zu ihrer Weiterbildung Dozenten, aber auch Leute aus den Roten Zellen der Universitäten ein, darunter auch einen Augenzeugen, der über seine Erlebnisse in Vietnam berichtete.

„Die kamen, denn sie sahen es als Sendungsauftrag an, den ,Psychobullen' - so unser Spitzname - Bewußtsein einzupflanzen. Und bei den meisten von uns wurde ein sozialpolitisches Bewußtsein ent-

wickelt“, erzählt Mahr. „Wir haben, mit ; Dutschke gesprocrieri, habe'ri' mit'den Demonstranten diskutiert, vor de.n Polfzeiketteri 1 ÜÄd ohne 1 'Waffen. Um weiter zu reden, hab ich Leute mit nach Hause genommen, darunter Mitglieder der SEW und KPD - und ich bin mit meiner Frau auch zu deren Veranstaltungen gegangen.“ Und Bitterhoff berichtet: „Vor einiger Zeit sagte mir einer aus der Hausbesetzerszene, den ich noch aus dieser Zeit kenne, es sei schade, daß es so etwas nicht mehr gibt, denn man kommt mit den Bullen nicht mehr ins Gespräch.“

Daß auf diese Weise in der Polizei ein kritisches Potential entstanden war, ist nicht zu übersehen. Bei vielen entwickelte sich durch die Arbeit im „Diskussionskommando“ der Drang nach Bildung und die Fähigkeit zum kritischen Denken. So waren übrigens auch der Schwulenbeauftragte der Polizei Heinz Uth mit dabei und ein inzwischen of-

fen schwul lebender Polizist, der vor allem für die Aids-Aufklärung der Sozialabteilung innerhalb der Polizei verant.wnrtlifh ist

Polizeihäuptkommissar Walter Bitterhoff ist heute der Leiter der AGA in der Direktion 3 in Moabit und - wie auch Mahr - Mitglied der SPD Die Arbeitsgruppen Ausländer bei den Polizeidirektionen gehören zur Schutzpolizei und bestehen seit 1971. Sie werden tätig, wenn die Ausländerbehörde des Landeseinwohneramtes sie um Amtshilfe ersucht. Erst dann nehmen sie Überprüfungen oder Verhaftungen vor, unterstützen aber sonst die Polizeidienststellen, wenn es um Ausländer geht.

Bitterhoff und Lüder fühlen sich außerdem für die Ausund Fortbildung der Polizei verantwortlich und führen Lehrgänge zur Ausländerproblematik durch. Da Ausländerrecht an der Polizeischule nicht gelehrt wird, mußten sich AGA-Mitarbeiter dieses Wissen selbst aneignen und geben es nun weiter. Um präventiv arbeiten zu können, pflegen sie Kontakte zu den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in ihren Bereichen. So versuchten sie auch schon mal, einer islamischen Gemeinde nach deren Kündigung durch den Hausbesitzer bei der Suche nach einer neuen Bleibe zu helfen. Oder Beamte der Weddinger AGA renovierten in ihrer Freizeit einen türkischen Kindergarten.

Hans Günter Mahr war lange stellvertretender Kommissariatsleiter „Raub“ bei der Kripo. Inzwischen leitet er die politische Bildung bei der Polizei. Seine Arbeit als Lehrer begann 1990 mit Lehrgängen für ehemalige Volkspolizisten in Biesdorf und politischer Bildung auf der Polizeischule. Der Diplomverwaltungswirt hat Rechtspflege studiert und beschäftigte sich mit der Geschichte der Arbeiterbewegung.

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