- Kultur
- „Arsen und Spitzenhäubchen“ - eine Krimi-Schnurre von Joseph Kesselring im Berliner Theater am Kurfürstendamm
Zwei liebe Mörderinnen
Die mörderischen Schwestern: Crigitte Mira und Edith Hancke
Foto: Joachim Fieguth
Jubel um Edith Hancke und Brigitte Mira im Theater am Kurfürstendamm. In der amerikanischen Krimi-Schnurre „Arsen und Spitzenhäubchen“ von Joseph Kesselring aus dem Jahre 1941 spielen sie die diskret verrückten Schwestern Brewster, die in ihrem Haus in Brooklyn gemeinsam ein Dutzend Männer umgebracht haben. Edith Hancke ist die treuherzig naive Martha, Brigitte Mira die kokett naive Abby. Beide scheinen die normalsten alten Damen der Welt, sind angesehen am Ort, von der Polizei geschätzt, vom Nachbarn, einem Pfarrer, verehrt. Wenn ihnen aber ein einsamer alter Herr über den Weg läuft, den sie zunächst freundlieh in einem möblierten Zimmer einmieten, erlösen sie ihn aus seiner Einsamkeit, indem sie ihm ihren mit Arsen angerichteten Holunderwein servieren. Das machen sie so unschuldig nett, daß man den beiden Damen einfach nicht böse sein kann.
Zugegeben, anfangs dachte ich an die grausame Realität, an das Horror-Haus im englischen Gloucester beispielsweise, wo jüngst fast ein Dutzend Frauenleichen im Keller gefunden wurden. Die superskurrilen Situationen des Joseph Kesselring entführten denn doch ganz und gar ins Theater. Zumal Wolfgang Spier, bewährter Boulevard-Regisseur, alles wieder einmal mit Takt und Feingefühl und bühnenerfahren pointiert angerichtet hat.
Schummrig und großväterlich wie in guten alten Zeiten das Haus der Mörderinnen (Ausstattung Hannelore Hirthe-Kuschnitzky). Immerhin
hat es schon elektrisches Licht. Das ist vor allem für den Keller wichtig, den man zwar nicht zu sehen kriegt, wo aber der närrische Neffe Teddy (Klaus Sonnenschein), der sich für den amerikanischen Präsidenten Roosevelt hält, den „Panamakanal“ anlegt, eine Grube, in der er die „Malariaopfer“ zu verschwinden lassen pflegt. Keine Zwischenfälle bislang.
Aber nun eine „Katastrophe“ nach der anderen. Zunächst entdeckt Neffe Mortimer (Harald Effenberg) zufällig eine Leiche in der Fenstertruhe, wo sie zwischengelagert ist. Prompt will der junge Mann seine Verlobte Ellen (Beate Maes) erst einmal nicht im Hause haben, was die natürlich gar nicht verstehen kann. Dann kommt da noch Jonathan (Klaus Dahlen), der dritte Neffe, ein aus dem Gefängnis ausgebrochener Mörder, klotzig wie Boris Karloff,
der Frankenstein-Darsteller. Jonathan hat eine Leiche im Auto und einen Kumpan (Peter Schlesinger) an der Seite, der sich als Doktor ausgibt. Nun ist der Teufel los. Wer bringt wen um? Nur soviel: Die Polizei interessiert 1 sich schließlich für den trompeteblasenden, die Nachbarn störenden Teddy, aber nicht für die Leichen im Keller. So können sich Abby und Martha ungestört Mr. Witherspoon (Helmut Hildebrand) zuwenden, dem Chef der Klapsmühle „Zum fröhlichen Hirten“
Gewiß sind moderne Filmund Fernseh-Grotesken über offenbar unausrottbare mörderische Neigungen des Menschen mit solchem Oldtimer aus Amerika nicht zu überbieten. Doch für rund zwei Stunden altväterliche Kurzweil ohne Werbespot-Unterbrechung lohnt der Weg zum Kurfürstendamm durchaus.
GERHARD EBERT
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