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  • Kultur
  • Vorläufiges „Aus“ für die Kleine Galerie in Arneburg

Nackt und bloß und in ruheloser Ohnmacht

  • Lesedauer: 3 Min.

Im Wohnzimmer des Architekten und Hobby-Galeristen Arne Könnecke hängen Grafiken zweier Künstler einträchtig nebeneinander. Die eine stammt von Walter Herzog und die andere von Wilhelm Rudolph. Sie symbolisieren gewissermaßen Anfang und Ende der Kleinen Galerie Arneburg. Mit Herzog wurde 1981 die erste Schau eröffnet, und mit Rudolphs Grafiken über das zerstörte Dresden schloß sich der Kreis unlängst.

Dazwischen hat Könnecke hier so ziemlich alle Künstler des ehemaligen Bezirkes Magdeburg mit ihren Werken vorgestellt. Aber der engere Kreis wurde durchaus auch überschritten. Werke von William Hogarth kamen durch seine Initiative für kurze Zeit nach Arneburg, auch einige Blätter von Ernst Barlach waren zu sehen. Besondere Anziehungspunkte bildeten die Kollektionen japanischer Exlibris und die Kleinplastiken. Unter den „Auswärtigen“ ragten die Ausstellungen der Werke Jürgen Schieferdeckers, Werner Stötzers, Nu-

ria Quevedos und Manfred Bofingers hervor.

Arne Könnecke stellte die Arbeit der Kleinen Galerie übrigens wider Erwarten nicht mangels öffentlicher Unterstützung ein. Nachdem der Kulturbund als Träger den Bach 'runter gegangen war, übernahm der Kultur- und Heimatverein Arneburg im Altmärkischen Heimatbund e.V. die Trägerschäft. Nach der Schließung des Kulturhauses bot der Bürgermeister im Rathaus einen Raum als Provisorium, und auch die Kreissparkasse Stendal schob so manche Mark für die Projekte über den Tisch.

Als eigentliche Gründe für den Crash der Galerie benennt ihr Organisator die aktuelle räumliche Situation und das wachsende kulturelle Desinteresse im Ort und seiner Umgebung. Seit das nahegelegene Atomkraftwerk Stendal abgerissen wird, hat sich die Klientel für die Galerie zusätzlich verringert. Mit ein bißchen Hoffnung verfolgt Arne Könnecke die Auseinandersetzung um den „Schwarzen Adler“

Das ist ein denkmalgeschütztes Fachwerkhaus nahe dem Markt. Seine Restaurierung übersteigt aber die Finanzkraft des Städtchens Arneburg erheblich. In diesem Objekt wünschte sich Arne Könnecke ein paar Räume für seine Kleine Galerie.

Vorsorglich - und wohl auch ein bißchen optimistisch - hatte der Hobby-Galerist seine Einladung zur Rudolph-Ausstellung überschrieben: „87 und (vorläufig) letzte Kunstausstellung“.

Für die Ausstellung waren Holzschnitte aus dem berühmten Zyklus „Das zerstörte Dresden“ von Wilhelm Rudolph ausgewählt worden. Die ausgebrannten Häuser, die mit leeren Augenhöhlen starren, die trümmerübersäten

Straßen, die tot daliegen, wie von Leichentüchern bedeckt für all das fand der Künstler nach dem 14. Februar 45 überreichen Stoff für seine Kunst. „Jetzt aber hatte der moderne Bombenkrieg zugeschlagen und stand mit seiner brutalen Konsequenz vor meinen Augen, und ich selbst sah mich

in_ seine radikale Zerstörung nackt und bloß mitten hineingestellt“, schrieb Rudolph später.

Holzschnitte wie „Nürnberger Straße“, „Ruinenlandschaft“ oder „Nach dem Bombenangriff' entstanden natürlich nicht auf der Straße. In ihnen verarbeitete Rudolph das, was er in ruheloser Ohnmacht, zwischen Schlaf und Wachen, mit „stählernem Griffel“ von der Zerstörung zu fassen vermochte. Strich um Strich grub er die Wunden der Stadt in Metall und in Steinplatten ein, bannte sie auf Papier. Schließlich griff er zu den vergleichsweise weichen Holzplatten, die er mit dem Schnittmesser förmlich zerriß, zerfetzte, bis zur Grenze der Erkennbarkeit verstümmelte.

„Ich finde, Kunst, die erinnern will, muß auch nach einem halben Jahrhundert die Chance dazu erhalten“, sagt Arne Könnecke. „Es ist ja nicht nur Dresden, das hier gemeint ist. Es sind Blätter gegen den Wahnsinn des Krieges.“

DIETMAR EISOLD

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