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Schwarze Liste gegen Schmuggel schwarzer Diamanten

Weltmarktmonopolist De Beers reagiert mit Sanktionen aufzunehmende illegale Verkäufe russischer Edelsteine

  • Lesedauer: 4 Min.

Von RALF KLINGSIECK, Brüssel

Der Schmuggel und illegale Handel mit russischen Rohdiamanten droht den straff organisierten Diamantenweltmarkt durcheinanderzubringen. Der Konzern De Beers, der zu 80 Prozent den internationalen Handel beherrscht und der durch solche unkontrollierbaren Parallelgeschäfte den hochgehaltenen Weltmarktpreis und sein einträgliches Monopol bedroht sieht, hat jetzt ein Exempel statuiert und eine Handvoll seiner „Vorzugskunden“ in Antwerpen, die an derartigen Geschäften beteiligt waren, von seiner Lieferliste gestrichen sowie 20 weiteren mit Sanktionen gedroht.

Der südafrikanisch-britische Diamantenkonzern und seine Verkaufszentfale „Central Selling Organisation“ (CSO) in London beliefern regelmäßig etwa 150 „Sightholders“ genannte finanzstarke Händler, von denen die Hälfte in Antwerpen ansässig ist. Sie müssen sich widerspruchslos dem Diktat von De Beers unterwerfen und haben beispielsweise auch kein Auswahlrecht, sondern müssen die ihnen zugewiesenen Lieferungen so akzeptieren und prompt bezahlen. Einspruch hätte unweigerlich die Entfernung von der Lieferliste zur Folge, was niemand riskieren will, denn das Geschäft ist lukrativ Die

„Sightholders“ verkaufen die wertvollen Rohdiamanten zur Bearbeitung und zur Weiterveräußerung über die drei Antwerpener Diamantenbörsen an einheimische Werkstätten und Händler oder aber an Kollegen in den drei kleineren Welthandelszentren Bombay, New York und Jerusalem.

Die russischen Steine wurden den jetzt Gemaßregelten zu Preisen angeboten, die 10 bis 20 Prozent unter denen von De Beers lagen. Vor allem aber lief der Handel an dem Konzern vorbei, der sich in einem 1990 mit den Moskauer Behörden ausgehandelten Abkommen zu 95 Prozent auch die weltweite Vermarktung der

russischen Rohdimanten gesichert hatte. Nur fünf Prozent der rohen Steine sowie die im eigenen Land geteilten und geschliffenen Diamanten darf Rußland selbst auf den Weltmarkt werfen, dazu - im äußersten Bedarfsfalle - seine strategischen Reserven. Das Abkommen zwischen Moskau und De Beers läuft jedoch Ende des Jahres aus, und die Verhandlungen über seine Verlängerung sind festgefahren. Das liegt vor allem am gegenwärtigen Chaos in den zuständigen oder sich zuständig fühlenden russischen Behörden, hat aber auch politische Hintergründe. Während Fachleute wie Semion Silberg, Vizepräsident der Jakutischen Diamantenschürfgesellschaft (von hier stammen 98 Prozent der russischen Fördermenge), keine vernünftige Perspektive für einen russischen Welthandel 'außerhalb des Vertriebsnetzes von De Beers sehen, fordern militante russische Nationalisten die Aufkündigung der „erniedrigenden und ausbeuterischen Knechtschaft durch den Konzern De Beers“

Mit diesem politischen Druck im Rücken versuchen die Moskauer Verhandlungsführer zu erreichen, daß Rußland künftig 20 bis 25 Prozent der eigenen Rohdiamanten selbst auf dem Weltmarkt anbieten kann. De Beers fordert dagegen den gesamten weltweiten Vertrieb, um den abträglichen Parallelhandel von vornherein auszuschließen. Schließlich bangt De Beers nicht nur um seine durch das Monopol ungewöhnlich hohe Gewinnspanne, sondern fürchtet vor allem eine Destabilisierung des Weltmarktes, dessen Preisniveau durch ein ausgeklügeltes Spiel mit kalkuliert an die Händler ausgelieferten Mengen hochgehalten wird. Dieses von der CSO gemanagte System hat bereits über Jahrzehnte fast reibungslos und gewinnbringend funktioniert. Einen Preiseinbruch gab es nur Anfang der 80er Jahre, als Zaire austrat, weil es sich übervorteilt fühlte. Auch damals gab es Schmuggelware in Antwerpen, und auch damals hat De Beers mit eiserner Hand durchgegriffen.

Seitdem bildet Zaire zusammen mit Australien eine „Außenseitergruppe“ mit geringem Einfluß auf den Weltmarkt.

Das Gros der Lieferungen für die CSO kommt allerdings heute nicht mehr aus Südafrika, sondern vor allem aus Botswana und Namibia, wo der Konzern auch Schürfrechte besitzt. Doch das tyrannische Regime von De Beers ist nicht mehr so unumstritten wie einst. „Der Diamantenmarkt ist krank, die von De Beers fixierten Preise haben sich seit drei Jahren nicht erhöht“, klagt hinter vorgehaltener Hand und im Schütze der Anonymität einer der gemaßregelten Händler aus der Antwerpener Pelikaanstraat. „Wenn wir nicht nebenbei mit den Russen handeln würden, könnten wir bald nicht mehr unseren Lebensunterhalt verdienen.“ Der Park der Luxusautos in den Hinterhöfen und die Villen in der Umgebung von Antwerpen lassen allerdings vermuten, daß das Geschäft auf sehr hohem Niveau stagniert.

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