Werbung

Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Die Verwaltungsreform ist ins Stocken geraten

Berlins ÖTV-Chef Kurt Lange: „Wir werden nicht jeden Scheiß mitmachen, den Beraterfirmen vorgeben“

  • Lesedauer: 3 Min.

Sofern man den Verlautbarungen des Senats Glauben schenkte, gehörte die Berliner Verwaltungsreform zu den vordringlichen Aufgaben der ablaufenden Legislaturperiode. Tatsächlich aber „gab es kaum Initiativen der Politiker, ihre eigene Verwaltung zu reformieren“, kritisierte ÖTV-Chef Kurt Lange am Dienstag. Das Referat Weiterbildung der FU, der DGB-Landesbezirk Berlin-Brandenburg, die ÖTV und die Hans-Böckler-Stiftung hatten zu einer zweitägigen Fachtagung ins DGB-Haus geladen, um in einer kritischen Bestandsaufnahme Chancen und Grenzen der Verwaltungsreform zu diskutieren.

Die Grenzen der Verwaltungsreform, fixierte Kurt Lange, seien für ihn dann überschritten, wenn es öffentliche Dienstleistungen für die Bürger nicht mehr gibt. Was mehr als eine rhetorische Floskel war angesichts zunehmender Begierden, Teile des öffentlichen Dienstes zu privatisieren und den Gesetzen reinen Unternehmertums unterzuordnen. Die Chancen der Verwaltungsreform sah der ÖTV-Landeschef in einer weiteren Produktivitätsentwicklung. Für ihn komme es nunmehr darauf an, „den öffentlichen Dienst für den Wettbewerb mit privaten Anbietern fit zu machen“, stellte Lange klar.

Jürgen Nagel von der zuständigen Senatsverwaltung für Inneres sparte vor rund 100 Teilnehmern nicht mit Eigenlob: „Der Berliner öffentliche Dienst ist gut, kann noch besser und muß vor allem billiger werden!“ Mehr Bürgernähe, Dezentralisierung der Verwaltung, Leistungsanreize und kürzere Entscheidungswege waren weitere Positivsignale, die Nagel ins Auditorium gähnte, ehe er umschrieb, worum es dem Senat vorrangig geht: „Die Verwaltungsreform ist der Versuch, Einsparungen im öffentlichen Dienst so sozial und bürgerfreundlich wie möglich zu gestalten.“ Im Klartext heißt das, weitere 25 000 Stellen zu streichen, einschließlich der Hängepartien aus den vergan-

genen fünf Jahren sogar bis zu 40 000. Kein Pappenstiel, beträfe dies doch jede sechste Stelle im „öffentlichen Dienst am Bürger“ und damit schließlich die Bürger selbst.

Denn, so Kurt Lange, in den zurückliegenden Jahren wurden bereits 19 000 Stellen im Bereich der Bezirksämter, aber lediglich 750 Posten in den Hauptverwaltungen gestrichen. Dabei sei „die politische Führung in Berlin ein Drittel stärker besetzt als in anderen Großstädten - zu viele Senatoren, Staatssekretäre, Referenten“, so der Berliner ÖTV-Vorsitzende.

Obwohl Beratungsfirmen des Senats bald 40 Millionen Mark an Honoraren eingestri-

chen haben werden, sei die Verwaltungsreform ins Stokken geraten. Die angekündigte Qualifizierungsoffensive für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sei kaum aus den Startlöchern gekommen. Zunehmend schwinde unter den Mitarbeitern die Motivation, die Reform aktiv mitzutragen. Auch an den Senatsversprechen, es werde ob der geplanten Länderfusion nur einen sozialverträglichen Stellenabbau geben, sei zu zweifeln. Notfalls sei Kampf angesagt, warb Kurt Lange dafür, den gewerkschaftlichen Organisationsgrad im öffentlichen Dienst zu erhöhen: „Wir werden jedenfalls nicht jeden Scheiß mitmachen, den die Beratungsfirmen vorgeben.“ RAINER BRANDT

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal